P3-BLOG


von Stefan Breitenfeld

05.03.2020

VDMA, drupa

„Ein Teelöffel Puder für die Fläche eines Fußballfeldes“

Seit 1953 entwickelt, baut und vertreibt Weitmann & Konrad (weko) hoch präzise Flüssigkeits- und Puderauftragssysteme. In der Druck- und Papiertechnik sind diese zum Befeuchten und zum Aufbringen von Trennmitteln gefragt. Im VDMA-Interview spricht Geschäftsführer Carlheinz Weitmann über die digital gesteuerte Präzision, veränderliche Märkte und wachsendes Umweltbewusstsein – sowie über weko im Jahr 2030.

Herr Weitmann, möchten Sie Ihr Unternehmen kurz vorstellen?

Carlheinz Weitmann: Wir sind ein mittelständisches Unternehmen mit 140 Mitarbeitern, davon rund 100 in Deutschland. Marcel Konrad und ich führen das Unternehmen weiter, das unsere Väter 1953 aufgebaut haben. Heute haben wir fünf Tochterunternehmen, gut 30 Vertretungen auf fünf Kontinenten und breit aufgefächerte Zielmärkte. Wir sind auf die Entwicklung und den Bau hochpräziser Flüssigkeits- und Puderauftragssysteme spezialisiert. Diese werden vor allem in der Druck- und Papiertechnik, dem Tissue- und Nonwoven-Bereich, sowie in der Verarbeitung von Textilien, Faserverbundwerkstoffen, Holzfaserplatten oder von Folien eingesetzt. Bis vor wenigen Jahren kamen vier Fünftel unserer Umsätze aus dem Grafikbereich. Dank konsequenter Diversifizierung ist dieser Anteil auf etwa 35 Prozent gesunken. Im Zuge dieser Strategie investieren wir fast sieben Prozent unserer Umsätze in die Forschung und Entwicklung.

Wo sehen Sie Ihre wichtigsten Wachstumspotentiale?

Weitmann: Noch gibt es einige weiße Flecken auf der Landkarte. Wir stellen gerade einen Mitarbeiter mit indischen Wurzeln ein, um in dieser Region noch mehr Präsenz zu zeigen. Daneben wachsen die Qualitätsansprüche und die Anforderungen an intuitive Bedienbarkeit in allen Bereichen der industriellen Produktion. Das kommt uns als Anbieter von High-end-Technik entgegen.

Welche Funktion erfüllen Ihre Produkte in der Druck- und Papiertechnik?

Weitmann: Unsere Väter haben ein Puderauftragsgerät entwickelt, das die Basis für ihre Gründung war. Zuvor war das gesundheitsbelastende Gummi Arrabicum das gängige Trennmittel. Puder war eine willkommene, günstige Alternative auf der Basis von Kartoffelstärke. Trennmittel sind nötig, damit die Druckfarbe nicht verschmiert oder die bedruckten Bögen verklebt. Mit Puder als Distanzhalter funktioniert auch die Weiterverarbeitung reibungsloser. Hochglanzbücher werden oft mit unserer Auftragstechnik bestäubt. Selbst bei Druckgeschwindigkeiten von 22.000 Bögen pro Stunde trägt sie den Puder so präzise auf, dass er nur auf dem Papier landet. Dafür dosieren sie ihn abhängig vom Format aufs Milligramm genau und blasen ihn mit leicht erhöhtem Luftdruck gleichmäßig auf den jeweiligen Bogen. Ein Teelöffel Puder reicht für die Fläche eines Fußballfeldes. Solch eine Genauigkeit schaffen auf der Welt nicht viele Anbieter.

Und was hat es mit dem Flüssigkeitsauftrag auf sich?

Weitmann: Auf Anfänge in der kontaktlosen Befeuchtung von Offsetdruckwerken in der Zeitungsrotation folgten Anwendungen im Textilbereich, nachdem unsere Väter ihre Technik auf Textilmessen präsentiert hatten. Mittlerweile tragen weko-Anlagen vielfältige Fluide in verschiedenen Branchen auf. In der Druckindustrie dient die Befeuchtung dazu, in Trocknungsprozessen geschrumpfte Papierfasern zu entspannen. Während der Trocknung wird den natürlichen Fasern 80 Prozent ihrer Flüssigkeit entzogen, was in welligem Papier oder Karton resultiert. Unsere Befeuchtungssysteme geben ihnen die Flüssigkeit zurück, ohne das Druckbild zu beeinträchtigen. Dafür kommt es auf die Größe der Tröpfchen und deren exakte Verteilung an: Sie müssen größer sein, als in schwebendem Aerosol, aber klein genug, so dass die Farben nicht verlaufen. Unsere Auftragssysteme passen die Dosierung automatisch an die Druckgeschwindigkeiten an. Die dafür notwendige Information beziehen sie über Signale der Druckmaschine oder von Sensoren.

Ihre Kunden können zwischen Walz- und Sprühauftrag sowie gekapselten Systemen wählen. Wann empfiehlt sich welches Verfahren?

Weitmann: Der Walzauftrag ist im Einsatz, wo es einfach und schnell gehen soll – etwa beim Silikonauftrag im Rollenoffsetbereich. Der Sprühauftrag ist sehr viel komplexer und aufwändiger. Aus Gründen des Arbeitsschutzes wird vor allem im Textilbereich gekapselt. Teils setzen auch Hersteller von Digitaldruckanlagen zur Vorbeugung von Verschmutzung gekapselte Befeuchtungsmodule ein. Hierzu ist anzumerken, dass unsere Systeme dank konsequenter Kreislaufführung nahezu verlustfrei arbeiten, was den Verbrauch von kritischen Medien und Frischwasser und damit auch den Reinigungsaufwand und die Betriebskosten minimiert. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, umweltverträgliche Lösungen zu entwickeln.

Die Printbranche strebt nach minimalem Umrüst- und Reinigungsaufwand. Steht der Einsatz von Wasser und Puder dem nicht entgegen?

Weitmann: Es kommt zur Verunreinigung, wo Feinanteile in schlechtem Puder oder Aerosole beim Sprühauftrag vagabundieren. Genau deshalb ist Präzision beim Auftrag so wichtig. Gegenüber der Alternative – Trocknung mit UV- oder Infrarotlicht – haben unsere Systeme klare Vorteile im Energieverbrauch und bei der Umweltverträglichkeit. Auch UV-Drucker nutzen übrigens Puder, um in der Weiterverarbeitung Adhäsionskräfte zwischen den Papierbögen auszuschalten.

Inwieweit greifen Digitalisierung und Vernetzung in Ihrer Nische?

Weitmann: Wir liefern meist Module an Druckmaschinenbauer, die seit vielen Jahren über digitale Steuerungstechnik verfügen und mit den Druckmaschinen kommunizieren. Der Drucker stellt an der Maschine seine Formate ein. Mit den Daten erledigen unsere Anlagen alles Weitere vollautomatisch. Digitalisierung und Vernetzung sind also weit fortgeschritten. Die Druckbranche war in diesem Bereich sehr früh sehr weit und hat die Automation im Drucksaal konsequent vorangetrieben. Als ich anfing, gab es zwei bis drei Arbeiter pro Druckmaschine; heute ist das Verhältnis umgekehrt.

Dieser Trend wird auch die drupa 2020 prägen. Was wird weko dort zeigen?

Weitmann: In erster Linie werden wir mit unseren Modulen in den Maschinen der Druckmaschinenhersteller vertreten sein. Sie werden Innovationen vorstellen, zu denen wir in engen Kooperationen unseren Teil beigetragen haben. Aber es gibt auch einen weko-Stand. Im Digitaldruckbereich tut sich derzeit eine Menge. Viele große Hersteller setzen mittlerweile auf unsere Befeuchtungstechnik – kleinere Anbieter werden nachziehen. Für sie möchten wir ebenso ansprechbar sein, wie für Druckereien, die mit unseren Nachrüstlösungen für den Digitaldruck deutliche Qualitätssteigerungen erreichen können.

Welche Rolle spielt bei Ihnen der Service?

Weitmann: Der Wartungsaufwand unserer Systeme ist minimal und es geht sehr selten etwas kaputt. Doch wir haben weltweit Servicemitarbeiter und geschulte Partner, die unsere Kunden bei Problemen schnell und zuverlässig unterstützen.

Letzte Frage: Was sehen Sie, wenn Sie sich weko im Jahr 2030 vorstellen?

Weitmann: Die Technik wird komplexer sein. Wir müssen unser Knowhow in alle Richtungen erweitern, um optimale Integration in automatisierte Prozessketten zu erreichen und mit engmaschiger Sensorik selbsteinstellende Wiederholbarkeit zu realisieren. Anlagenfernüberwachung und die kameraunterstützte Anleitung von Kunden bei Reparaturen werden ebenso alltäglich sein, wie die Zusammenarbeit mit Maschinenherstellern auf Basis digitaler Werkzeuge und Plattformen.

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