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Interview

EMAS: Zertifiziertes Umweltmanagement bei Kelheim Fibres

Concepts & Solutions

Als erster Hersteller von Viskosefasern hat die Kelheim Fibres GmbH ein über die ISO 14001 hinausgehendes EMAS-Umweltmanagementsystem aufgesetzt, validieren und zertifizieren lassen. Wir sprachen mit Theresa Schreiner, der Projektverantwortlichen bei Kelheim Fibres, über den Weg zur Zertifizierung in Pandemiezeiten und die daran geknüpften Erwartungen.

Frau Schreiner, wieso entschied man sich bei Kelheim Fibres ausgerechnet im wirtschaftlich schwierigen Pandemie-Umfeld für eine solche Zertifizierung?

Die Entscheidung für eine EMAS-Validierung war schon vorher gefallen und ist Teil unserer langfristigen strategischen Ausrichtung. Die hat sich auch durch die Pandemie nicht geändert, im Gegenteil: Transparenz, verlässliche Lieferketten und Nachhaltigkeit sind wichtiger denn je.

Nachhaltigkeit ist in unserer Unternehmensphilosophie fest verankert. Wir machen maßgeschneiderte Fasern für Endprodukte, die einen gesunden Lebensstil ermöglichen und gleichzeitig die Umwelt für nachfolgende Generationen bewahren. Dazu gehört nicht nur, dass unsere Fasern aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und biologisch abbaubar sind, dazu gehört auch, dass der Produktionsprozess umweltfreundlich und ressourcenschonend abläuft.

Eine entsprechende Zertifizierung hilft uns, das auch nach außen zu kommunizieren. Für diesen Zweck gäbe es eine ganze Reihe von Umwelt-Labels, insbesondere für einzelne Produkte. Da wir jedoch ein relativ kleiner Betrieb sind, mussten wir Aufwand und Kosten abwägen und haben uns daher für eine – aber die strengste und umfassendste – Zertifizierung des Produktionsprozesses entschieden.

Die Umsetzung wurde von der Pandemie aber schon ein wenig erschwert – wie überall sind viele Kollegen auch bei uns im Homeoffice und vor Ort ist nur eine Mindestbesetzung, da mussten wir erst einmal die technischen Voraussetzungen schaffen, um alle Beteiligten „an einen Tisch“ zu holen. Inzwischen klappt das aber sehr gut und die EMAS-Validierung hat sich nur um wenige Wochen verschoben.

Welche Vorteile bietet das EMAS-Zertifikat im Vergleich zu einer „herkömmlichen“ Zertifizierung nach EN ISO 14001?

Wie schon gesagt, EMAS ist die umfassendste Zertifizierung in diesem Bereich. Dabei geht es nicht nur um einzelne Produkte, sondern um die gesamten Umweltleistungen eines Unternehmens.

EMAS umfasst die ISO 14001 und geht darüber hinaus, indem EMAS mehr Transparenz einfordert: Alle Daten und Messwerte werden offengelegt und wir müssen unsere Umweltziele klar benennen. Das muss jährlich im Rahmen der Umwelterklärung passieren. So kann nicht nur der Auditor nachvollziehen, wo wir stehen und ob wir unsere gesteckten Ziele erreichen - das kann jede Behörde, jeder Kunde, jeder Nachbar, einfach jeder, den es interessiert.

EMAS beinhaltet übrigens auch eine Bestätigung vonseiten der zuständigen Behörden, dass es keinerlei Hinweise auf Rechtsverstöße im Umweltbereich durch das Unternehmen gibt. Das bietet uns eine gewisse Rechtssicherheit und geht ebenfalls über die ISO 14001 hinaus.

Welchen Anforderungen musste die Kelheim Fibres GmbH dafür gerecht werden? War die ToDo-Liste groß bzw. kostenintensiv oder befand sich das Unternehmen „sowieso“ schon auf dem richtigen Weg?

Die Herstellung von Viskosefasern erfolgt bei uns auf eine sehr umweltfreundliche Art und Weise und wir arbeiten ohnehin ständig daran, unsere Prozesse und unseren Ressourceneinsatz weiter zu optimieren, inhaltlich hatten wir die Anforderungen also bereits erfüllt. Aber wir mussten alle Daten in einer sinnvollen Struktur zusammentragen und unsere Umweltziele noch konkreter und mit klaren Zielwerten festlegen. Schließlich geht es ja nicht um einzelne Maßnahmen, sondern um ein System für das gesamte Unternehmen.

Wir haben uns alle Arbeitsabläufe angeschaut und die Schnittstellen zwischen den Abteilungen, alles soll sinnvoll ineinandergreifen. Außerdem wurden alle Mitarbeiter zu EMAS geschult, zum Beispiel in Form von Vorträgen, Workshops und Online-Learning-Tools.

Gab es best practices, an denen sich das Unternehmen orientieren konnte? Wie wurde bei der Umsetzung vorgegangen?

Wir sind der erste Viskosefaserhersteller mit EMAS-Validierung, daher sind wir ein Vorreiter und konnten branchenintern nicht viel „kopieren“. Aber natürlich gibt es viele andere EMAS-Betriebe in verwandten Branchen, die uns als gutes Beispiel gedient haben.

Wir haben uns diese Beispiele angeschaut und unser eigenes System daraus abgeleitet. Unsere Ziele haben wir an BREF, dem Stand der Technik, aber auch an anderen Labels wie dem Nordic Swan oder dem EU Ecolabel orientiert. Auch wenn wir die Werte schon erfüllen, haben wir geschaut, wo wir Potenzial sehen, die vorgegebenen Werte noch weiter zu unterbieten.

Wie stehen die Mitarbeiter zu dem System?

Wir sind immer sehr stolz darauf, dass wir als kleines und traditionsreiches Unternehmen flexibel und offen für Neues sind. Unser Innovationsgeist ist der Grund, warum wir im Wettbewerb mit deutlich größeren Herstellern bestehen. Das hat sich auch bei der Einführung von EMAS gezeigt. Natürlich gab es zu Beginn vereinzelt Befürchtungen, der eigene Arbeitsaufwand könne sich erhöhen. Diese Befürchtungen konnten aber in den Schulungen recht schnell zerstreut werden: Für den allergrößten Teil der Mitarbeiter ändert sich durch EMAS nichts in der alltäglichen Arbeit. Und dem gegenüber stehen zahlreiche positive Rückmeldungen von Mitarbeitern, die durch dieses Projekt und auch durch die erstmalige Veröffentlichung vieler Zahlen und Messwerte nun laut eigener Aussagen einen besseren Blick für „das große Ganze“ jenseits des eigenen Abteilungshorizonts bekommen haben.

Wie lief das Zertifizierungsaudit ab und welche Erwartungen verknüpft Kelheim Fibres mit dem Zertifikat?

Das erste Audit fand zwei Tage lang pandemiebedingt online statt. Das war sozusagen der Theorie-Teil, in dem die Struktur unseres ganzen Systems abgefragt wurde: Wer macht was wie - und wo und wie ist das dokumentiert?

Für das finale Audit im November war ein Auditor eine ganze Woche lang vor Ort in Kelheim, ein weiterer Auditor kam noch für knapp zwei Tage dazu. Im Rahmen dieser Woche wurden alle Abteilungen vor Ort auditiert und untersucht, ob die Theorie hier auch in der Praxis umgesetzt wird. Gleichzeitig wurden unsere Umwelterklärung gründlich untersucht und die Datenquellen der veröffentlichten Werte überprüft.

Mit dem OK der Auditoren und mit der Bestätigung durch die Behörden trägt die IHK das Unternehmen im EMAS-Register ein und stellt die Urkunde aus.

Das EMAS-Zertifikat wird uns helfen, unsere guten Umweltleistungen besser und glaubwürdig zu kommunizieren. Für immer mehr Kunden ist der Aspekt der Nachhaltigkeit ein entscheidendes Kaufkriterium – mit dem EMAS-Zertifikat und der damit verbundenen Veröffentlichung unserer Daten haben wir hier ein Alleinstellungsmerkmal, das uns positiv von anderen Viskosefaserherstellern abhebt.

Frau Schreiner, herzlichen Dank für das Gespräch!

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