Neulich ging es in einem Gespräch mit einem Kollegen um das Thema Kosten und Lizenzen für Vorstufensoftware. Ein Verzicht auf Produkte des Branchenprimus Adobe scheint schwer umsetzbar. Insbesondere die gute Verzahnung der Softwarelösungen von Bildbearbeitung, Vektorgrafik, Layout und zahlreicher Dienstprogramme verführt schnell, die cloudbasierte Lösung mit angeschlossenem Abovertrag mal mehr, mal weniger zähneknirschend zu akzeptieren.
Abbildung 1: Startoberfläche von GIMP.
In einem Artikel zur Luftfahrtindustrie habe ich neulich gelesen, dass Fluggesellschaften ein großes Interesse daran haben, dass verschiedene Flugzeugbauer am Markt sind und bleiben. Um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden, werden die Flotten in der Regel aus Modellen verschiedener Hersteller zusammengestellt. Interessant, wie ich finde. Wie abhängig ist eigentlich die grafische Industrie von ihrem Lieferanten Adobe und gibt es vielleicht doch noch Alternativen?
Natürlich muss ich diese Frage umgehend mit einem Ja beantworten. Produkte wie CorelDraw, Affinity oder QuarkXPress mit alternativen Lizenz- und Bezahlmodellen sind weiterhin verfügbar, hinzukommen zahlreiche Dienstprogramme, die mit der Grundausstattung von Geräten bereitgestellt werden. Eine weitere Möglichkeit sind Open-Source-Programme, die im Nachgang im Fokus dieses Artikels stehen. Um den klassischen Fächerkanon des Desktop-Publishing-Bereich abzubilden, habe ich mich für die Software Gimp, Inkscape und Scribus entschieden und möchte diese jeweils kurz vorstellen.
Gimp
Gimp ist inzwischen die bekannteste Alternative neben Photoshop zur Bildbearbeitung. Ich habe die Version 2.10.38 verwendet. Die Oberfläche ist sehr aufgeräumt gestaltet und wer sich in Photoshop gut auskennt, wird sich schnell zurechtfinden.
Werkzeuge, Paletten und Ebenen funktionieren ähnlich wie in Photoshop und können auf dem Bildschirm beliebig angeordnet werden. Gimp umfasst alle notwendigen Funktionen, um ein Bild professionell zu bearbeiten. Die klassischen Retuschierwerkzeuge finden sich hauptsächlich unter den Menüs Farben, Werkzeuge und Filter. Eine sehr überzeugende Funktion ist die geteilte Ansicht, die eine schnelle Vorschau der Bearbeitung ermöglicht. Zudem unterstützt eine große Community die Entwicklung und Pflege der Software und stellt zahlreiche Tutorials, Plugins und Skripte zur Verfügung.
Da es sich um ein Open-Source-Projekt handelt, sind die Entwicklungskapazitäten erwartungsgemäß beschränkter als beim Flagschiff Photoshop. Abstriche muss man vor allem bei intelligenten Funktionen und vorbereiteten Automatisierungen machen. Wer sich diesbezüglich aber vor eigenen Skripten nicht scheut, wird unter der Palette Filter belohnt. Hier findet sich eine integrierte Skript- und Phyton-Konsole. Der größte Schwachpunkt von Gimp liegt allerdings in der fehlenden Unterstützung eines CMYK-Farbmodus. Aktuell ist nur der Modus RGB, Graustufen und Indizierte Farbumwandlung verfügbar. Für eine künftige Versionen von Gimp ist die Implementierung eines vollständigen CMYK-Farbmodus zumindest angekündigt.
Nach Abschluss der Bearbeitung können die Daten im Gimp-eigenen .xcf-Format gespeichert oder in ein gewünschtes Format exportiert werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gimp in punkto klassischer Bildbearbeitung im Bereich RGB und Graustufen den Vergleich mit Photoshop nicht zu scheuen braucht. Der fehlende CMYK-Modus ist zwar ein markanter Nachteil, der sich aber durch einen entsprechenden Workflow mit intermediate oder late binding durchaus kompensieren lässt.
Inkscape
Neben der Bildbearbeitung ist das Erstellen und Bearbeiten von Vektorgrafiken ebenso tägliche Routine im Desktop-Publishing. Gerne erinnere ich mich an die Software Macromedia Freehand, deren intuitive Bedienung einen flotten Arbeitsprozess ermöglichte. Den späteren Verschmelzungsprozess mit Adobe Illustrator habe ich als eher verzögernden Weg in Erinnerung, der einige Umstellung in der Arbeit forderte. Das ist natürlich lange vorbei. Die aktuelle Version von Illustrator setzt ebenso wie Photoshop Maßstäbe. Auf der Suche nach einer Open-Source-Variante für mein Notebook mit ARM-Prozessor bin ich auf Inkscape gestoßen. Ich verwende die Version 1.2.2 Zunächst brauchte es einige Anläufe, um die Werkzeuge in den Menüs zu finden und deren Bedienung zu verstehen. Inzwischen bin ich sehr froh über diese Software. Inkscape verfolgt einen reduzierten und bedienerfreundlichen Ansatz. Alle grundlegenden Werkzeuge zur Erstellung und Bearbeitung von Vektorgrafiken sind an Bord. Die Benutzeroberfläche wirkt sehr übersichtlich und aufgeräumt. In der Grundansicht finden sich am linken Rand die Zeichenwerkzeuge für Linien, Bezierkurven und geometrische Objekte, außerdem Füll-, Verlaufs- und Auswahlwerkzeuge. Am oberen Rand sind Werkzeuge zum Ausrichten und Transformieren angeordnet. Im unteren Bereich sind die Farb- und Füllfunktionen für Fläche und Kontur aufgereiht. Der rechte Bereich ist für umfangreichere Palettenfunktionen reserviert. Diese sind ähnlich wie in Illustrator organisiert und können ein- und ausgeblendet werden. Die Paletten können über ein Kontextmenü ausgewählt werden und sind sehr sinnvoll strukturiert.
Um die Paletten auf der Arbeitsfläche frei anzuordnen, müssen sie zunächst in der Palettenansicht angewählt werden und anschließend in ein Fenster verschoben werden. Das ist etwas umständlich, aber man gewöhnt sich schnell daran.
Unüblich ist die Positionierung der Funktionen zur Dateiarbeit wie Speichern, Neues Dokument oder Drucken. Diese befinden sich am äußeren Rand auf der rechten Seite. Darunter sind noch Objektwerkzeuge wie Duplizieren, Klonen oder Gruppieren positioniert.
Inkscape verfügt über Pfadwerkzeuge zur Bearbeitung von Knoten (Ankerpunkten) und Anfassern von Bezierkurven. Ebenso gibt es Boolesche Operatoren wie Vereinigen, Differenz, Überschneiden etc. für verschiedene Pfadoperationen. Natürlich finden sich auch Ebenen, Anordnungs- und Gruppierungswerkzeuge. In der Tiefe der einzelnen Funktionen sind die Optionen allerdings etwas beschränkter als bei Illustrator. Dieser Nachteil wird aber durch gemeinsame Ressourcen und Unterstützung in der Community sehr gut ausgeglichen. Alles in allem ist Inkscape ein sehr nützliches Tool, dass nicht nur in viele Zielformte exportieren kann, sondern zudem standardgemäß im SVG-Format speichert und dieses auch sauber kodiert. Wer sich also intensiv mit der Gestaltung von SVG-basierten Webinhalten befasst und diese hin- und wieder auch im Code direkt bearbeiten möchte, sei diese Software wärmstens empfohlen.
Scribus
Fehlt noch der Layoutbereich. Hier habe ich mit Scribus Version 1.4.8 gearbeitet. Der Startbildschirm wirkt vielleicht auf den ersten Blick etwas altbacken, aber bietet insbesondere für Neueinsteiger ins Layouten eine gute Übersicht und leitet den Nutzer anhand einfacher Abfragen und eindeutiger Vorlagen zum richtigen Dokumentformat. Kann eigentlich nichts schief gehen.
Danach wird die Arbeitsoberfläche gestartet und es kann losgehen. Zentrales Element ist das Eigenschaftenfenster. In diesem sehr strukturiert aufgebautem Bedienfenster sind alle Funktionen zu den einzelnen Layoutelementen zusammengefasst und können bearbeitet werden. So lange keine Layoutelemente verwendet oder angewählt werden, ist das Eigenschaftenfenster inaktiv. Alle Layoutelemente finden sich als Symbol an der oberen Werkzeugleiste oder unter dem Menüpunkte „Einfügen“.
Ist ein Objekt aktiviert, können über das Eigenschaftenfenster Position und Größe, Form und Gruppierungen sowie Textattribute und Farben bearbeitet werden. Für effizientes Arbeiten an mehrseitigen Werken können Musterseiten erstellt werden. Diese können auch als Vorlage aus anderen Dateien importiert werden. Stilvorlagen können über das Eigenschaftenfenster definiert und verwaltet werden.
Nach Abschluss der Arbeiten ist auch integrierter kleiner Preflight-Check mit der Funktion Druckvorstufenüberprüfung möglich. Ist alles okay, kann das Dokument direkt ins PDF-Format exportiert werden. Die wesentlichen Einstellungen für Druckdokumente werden unter dem Karteireiter „Pre-Press“ vorgenommen.
Scribus ist das perfekte Einsteigerwerkzeug für das Layouten. Die Menüs sind nicht überladen und führen den Nutzer schnell zum Ziel. Auch hier zeigt er direkte Vergleich mit InDesign eine deutlich geringere Funktionalität in den einzelnen Bereichen. Mit verfügbaren Skripten kann der Funktionsumfang erweitert werden. Hier ist die Serienbrieffunktion ein wichtiger Punkt. Allerdings erfordern diese etwas Fingerspitzengefühl, damit am Ende auch ein tragfähiges Ergebnis entsteht.
Ziehen wir ein kurzes Fazit. Ein Blick in den Open-Source-Bereich ist wirklich lohnend. Auch für den DTP-Bereich finden sich zahlreiche professionelle Werkzeuge, die solide Druckdaten erzeugen können.
Autor und Dipl.-Ing. Drucktechnik (FH) Ronald Weidel arbeitet seit 2008 an der Gutenbergschule Leipzig als Lehrer für Drucktechnik.
Autor: Ronald Weidel
Redaktion: sbr
Abbildungen: Ronald Weidel