P3 3-4/2022 de

Papermaking for Life

Bis 2030: „CO2-neutrale Papierproduktion - zu 100 Prozent“

Paper & People

Am 01. Februar 2022 startete Dr. Michael Weiß in seine neue Rolle als Chief Technology Officer (CTO) bei Voith Paper in Heidenheim und folgte damit Frank Opletal, der sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedete. Er verantwortet damit ein großes Leistungsportfolio - und große Bestrebungen mit Blick auf die Nachhaltigkeit der hauseigenen Produkte und Dienstleistungen jetzt und in Zukunft. Vor wenigen Wochen startete das Unternehmen die Kampagne „Papermaking for Life“. Was in der Papierproduktion dank effizienter Lösungen bereits möglich ist und welche Potenziale in Zukunft noch gehoben werden sollen - Stichworte sind hier CO2-Emissionen und Stoffkreisläufe, aber auch der Wasser- und Energieverbrauch - lesen Sie im nachfolgenden Interview.

Herr Dr. Weiß, es lief praktisch auf allen relevanten Kanälen: Voith Paper startet das Nachhaltigkeitsprogramm „Papermaking for Life“. Mein erster Gedanke war: „Wieso gerade jetzt?“

Wir setzen uns bereits seit Jahren für eine möglichst nachhaltige und ressourcenschonende Papierherstellung ein. Bereits heute können wir mithilfe effizienter Produktionstechnologien bis zu 20 Prozent Fasern, Energie und Wasser einsparen. Durch kontinuierliche Verbesserungen konnten wir so in den letzten Jahren zum Beispiel den Energieverbrauch der Stoffaufbereitung um 20 Prozent reduzieren. Unser Digitalisierungs- und Automatisierungsportfolio Papermaking 4.0 umfasst gegenwärtig bereits über 25 Lösungen, die die Verfügbarkeit und Effizienz der Anlagen deutlich erhöhen. Dank digitaler Lösungen sind so Einsparungen von bis zu 10 Prozent CO2-Emissionen möglich. Und mit unserem AquaLine Zero-Konzept haben wir ein geschlossenes Wasserkreislaufsystem entwickelt, das nur 1,5 Liter Frischwasser pro Kilogramm produziertem Papier benötigt und 0 Liter Abwasser emittiert. Als führender Full-Line-Anbieter sehen wir uns in der Verantwortung, die nachhaltigsten Lösungen am Markt anzubieten. Basierend darauf haben wir das Nachhaltigkeitsprogramm „Papermaking for Life“ gestartet. Uns geht es darum, den Fokus noch stärker auf dieses Themenfeld zu lenken und aktiv die Zukunft der Papierherstellung mitzugestalten. Im Rahmen der Innovationsoffensive haben wir daher auch unsere Handlungsfelder konkretisiert und uns ambitionierte Zielsetzungen bis 2030 gesetzt. Damit nehmen wir in der Branche eine Vorreiterrolle ein und investieren pro Jahr rund 100 Millionen Euro in die Entwicklung neuer effizienter und nachhaltiger Lösungen. Klar ist, dass wir über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zusammenarbeiten müssen, denn Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz betreffen alle Marktteilnehmer. Wir engagieren uns daher in verschiedenen Industrie-Initiativen. Zwei Beispiele sind hier die Modellfabrik Papier, bei der komplett disruptive Ansätze für die Senkung des Energiebedarfs und der CO2 Emissionen in der Papierproduktion erforscht werden, und die 4evergreen-Allianz, die eine Papier-Recyclingquote von 90 % bis 2030 anstrebt.

Eines unserer Ziele bis 2030 ist, eine zu 100 Prozent CO2-neutrale Papierproduktion durch die Nutzung energieoptimierter Produkte, digitaler Lösungen und erneuerbarer Energien zu ermöglichen.

Dr. Michael Weiß, Chief Technology Officer bei Voith Paper.

Welche Maßnahmen will Voith Paper im Detail umsetzen?

Eines unserer Ziele bis 2030 ist, eine zu 100 Prozent CO2-neutrale Papierproduktion durch die Nutzung energieoptimierter Produkte, digitaler Lösungen und erneuerbarer Energien zu ermöglichen. Mithilfe disruptiver Technologien werden wir den Frischwasserverbrauch in der Papierproduktion um bis zu 90 Prozent senken können. Zudem möchten wir die Recyclingquote von Papier auf 90 Prozent bis 2030 mithilfe neuer Faserströme steigern.

Unser Fokus liegt dementsprechend auf der Minimierung des Energie-, Wasser- und Faserverbrauchs. Bei jedem Entwicklungsprojekt prüfen wir, ob die Lösung zu einer nachhaltigeren und effizienteren Produktion beiträgt. Erst kürzlich haben wir beispielsweise die neue InduraClean-Produktfamilie gelauncht. Durch eine kontinuierlich verbesserte Cleaner-Bank, dem optimierten InduraClean IDC-5 und dem neuen InduraClean IDC-4 können Kunden ihren Energieverbrauch um bis zu 50 Prozent senken. Die Cleaner sind schnell eingebaut und modular kombinierbar. Als Full-Line-Anbieter verfügen wir über jahrzehntelange Expertise und bieten unseren Kunden individuelle Beratungs- und Serviceleistungen an. Bereits kleine Umbauten von Bestandsanlagen können zu einer nachhaltigeren Produktion führen. Zudem arbeiten wir mit verschiedenen Kunden in Pilotprojekten an der Entwicklung neuer, innovativer Lösungen.

In der offiziellen Presseaussendung hieß es: „Durch energieoptimierte Produkte und digitale Lösungen sind bis 2030 Energieeinsparungen um bis zu 30 Prozent möglich.“ Wie gehen Sie vor, um solche Zahlen zu ermitteln?

Wir betrachten hierfür unser Produktportfolio, aktuell laufende Projekte und Kundenreferenzen und gleichen die ermittelten Verbrauchswerte mit historischen Prozess- und Performancedaten ab. Auch Daten aus unseren Versuchsanlagen, beispielsweise aus dem Fiber Technology Center und von unserer neuen Versuchsstreichmaschine, mit deren Hilfe wir neue Technologien entwickeln und umfangreich testen, kommen hierbei zum Tragen. Basierend auf diesen Daten und Informationen, und nicht zuletzt auch mithilfe mathematischer Simulationen, haben wir verschiedene Potentialabschätzungen durchgeführt. Übrigens geht bereits die Entwicklung von Maschinen, Produkten und Prozessen bei Voith Paper einher mit dem Aufbau und der Nutzung von Digital Twins – hybride mathematische Modelle, für die sowohl physikalische Gesetzmäßigkeiten als auch datenbasierte Modelle verwendet werden. Diese Strategie führen wir im weiteren Lebenszyklus unserer Technologien und Produkte fort. Ein Beispiel hierfür ist auch das Voith Paper OnPerformance.Lab, in dem Datenanalyse- und Prozessexperten unseren Kunden helfen, Produktivität, Effizienz und Verfügbarkeit ihrer Produktionsmittel zu maximieren.

Sind die perspektivischen Angaben zu Einsparungspotenzialen in Anbetracht der aktuellen Krisen (Pandemie, Ukraine, Energie, Nachfrage …) überhaupt belastbar?

Die möglichst effiziente Nutzung von erneuerbaren Energiequellen und von Rohstoffen ist insbesondere in der aktuellen Situation von höchster Relevanz und trägt entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit bei. Die Anzahl an interessierten Kunden an nachhaltigen Konzepten ist in der letzten Zeit deutlich angestiegen, und wir gehen davon aus, dass auch zukünftig das Interesse weiter steigen wird.

Damit die Nachhaltigkeit in der Papierproduktion weiter vorangetrieben wird, müssen alle Beteiligten mitziehen.

Dr. Michael Weiß, Chief Technology Officer bei Voith Paper.

Gleichzeitig gilt natürlich: Damit die Nachhaltigkeit in der Papierproduktion weiter vorangetrieben wird, müssen alle Beteiligten mitziehen. Insbesondere für disruptive Ansätze gilt, dass die Lösungen sich wirtschaftlich tragen müssen. Gerade vor dem Hintergrund stark steigender Preise für fossile Energie und insbesondere Gas, und auch einhergehend mit steigenden Kosten für CO2-Abgaben, ist dies jedoch zunehmend der Fall. Ein weiterer wichtigerer Aspekt, der nicht nur für die Papierindustrie gilt, ist das aktuelle Bestreben, von diesen fossilen Energieformen zunehmend unabhängig zu werden. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Trend in der Industrie zu mehr Nachhaltigkeit und insbesondere zur Dekarbonisierung ungebrochen ist und durch die Krisen der letzten Zeit eher noch verstärkt wurde.

Wichtig sind klare Rahmenbedingungen und verlässliche Entscheidungen seitens Politik und Gesetzgebung. Es gilt, langfristig die Weichen zu stellen und die Transformation der Branche gewinnbringend zu unterstützen. Der Ausbau von erneuerbaren Energien und die damit zusammenhängende notwendige Infrastruktur, wie Transportnetze und Speichersysteme, sollte weiter unterstützt werden. Daneben gilt es, CO2-emissionsarme Produktionstechnologien zu fördern.

Können Sie unseren Lesern das AquaLine-Wassermanagementsystem vorstellen?

Zusammen mit unserem Tochterunternehmen Meri haben wir vergangenes Jahr das Wassermanagementsystem AquaLine vorgestellt. Mithilfe geschlossener Wasserkreisläufe können Kunden ihren Frisch- und Abwasserverbrauch deutlich senken. Je nach Anlage und Zielsetzung bietet Voith unterschiedliche Konzepte an:

  • Das AquaLine Wassermanagementsystem eignet sich für Bestandsanlagen für Verpackungspapiere und Karton. Mit dem System kann die Frischwasserzufuhr auf 7 Liter/kg produziertem Papier gesenkt werden
  • Die Systemvariante AquaLine Flex ist für Neuanlagen und Bestandsanlagen für Verpackungspapiere ausgelegt und kann den Frischwasserverbrauch auf ca. 5,5 Liter/kg und die Abwassermenge auf rund 4 Liter/kg reduzieren
  • Die abwasserfreie Systemvariante AquaLine Zero kann bei Neuanlagen für Verpackungspapiere eingebaut werden. Indem das Abwasser prozessintern biologisch gereinigt wird, kann es zu 100 Prozent wieder in den Wasserkreislauf zurückgeführt werden. Der Frischwasserverbrauch liegt bei der AquaLine Zero bei gut 1,5 Liter/kg. Daneben spart das Konzept bis zu 10 Prozent CO2-Emissionen ein.

Mit über 300 digitalen Installationen weltweit sind wir führender Anbieter für Digitalisierungslösungen in der Branche.

Dr. Michael Weiß, Chief Technology Officer bei Voith Paper.

Und welche Lösungen beinhaltet das Portfolio Papermaking 4.0?

Unser Digitalisierungs- und Automatisierungsportfolio Papermaking 4.0 umfasst aktuell mehr als 25 Lösungen, die die Anlagenverfügbarkeit und Effizienz der Produktionsmittel unserer Kunden deutlich erhöhen. Mit über 300 digitalen Installationen weltweit sind wir führender Anbieter für Digitalisierungslösungen in der Branche. Unsere OnCare-Produkte ermöglichen ein effektives Anlagenmanagement mittels kontinuierlicher Erfassung des Maschinenzustands in Echtzeit. So können geplante und ungeplante Stillstandszeiten minimiert werden.  Die OnEfficiency-Lösungen optimieren die Papierproduktion für mehr Effizienz und sparen somit Betriebskosten ein. Das Kernstück der Automatisierungssysteme ist das OnQuality Qualitätsleitsystem (QCS). Dieses zuverlässige System ist ein intelligentes und integriertes Konzept, das den Herstellern die Kontrolle und Optimierung von Produktionsprozesse und Produktqualität ermöglicht.

Was unternehmen Sie, um auch den eigenen Ressourcenbedarf Ihrer Produktion zu minimieren?

Nachhaltigkeit spielt auch bei unseren eigenen Aktivitäten eine große Rolle. Als Familienunternehmen sehen wir uns einem ökologischen, fairen und wirtschaftlich langfristig erfolgreichen Wirtschaften verpflichtet. Mithilfe von neuen Technologien wird die Energie- und Ressourceneffizienz unserer Produktionsprozesse kontinuierlich optimiert. Bereits seit 2012 trackt Voith alle relevanten Verbrauchsindikatoren an seinen Niederlassungen und leitet entsprechende Projekte zur Verbesserung ein. Die Voith Paper Standorte konnten dadurch bis zum Geschäftsjahr 2020/21 die Abfallmenge um 33 Prozent, den Wasserverbrauch um 56 Prozent und den Energiekonsum um 38 Prozent im Verhältnis zum Umsatz senken. Unser Engagement im Bereich Nachhaltigkeit machen wir mit unserem Nachhaltigkeitsbericht transparent und messbar. Seit 2022 sind alle Aktivitäten an den Voith-Standorten weltweit klimaneutral. Die Rating-Agentur ISS ESG hat Voith für sein Nachhaltigkeitsengagement mit der Top-Bewertung B- ausgezeichnet. Auf der Basis von über 100 Kriterien wurde die Leistung von Voith im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung überdurchschnittlich bewertet. Voith gehört damit zu den besten Unternehmen innerhalb der Branche Anlagen- und Maschinenbau weltweit.

Dr. Weiß, vielen Dank für das Gespräch!

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