P3-BLOG


von Stefan Breitenfeld

23.08.2022

VDMA, Circular Economy, Nachhaltigkeit

„Wir sind doch längst aufgebrochen!“

Als Geschäftsführer halten Simone und Timo Mosca die familiengeführte Mosca GmbH auf Nachhaltigkeitskurs. Dazu gehören Kreislaufprozesse und Energieeffizienz in der Umreifungstechnik und Transportgutsicherung. In der Interviewreihe „Circular Competence“ befragt der VDMA Fachverband Druck- und Papiertechnik sie zu ihren Plänen, Lösungen und Herausforderungen auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft. Was kann die Branche dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck von Verpackungen und anderen Druckerzeugnissen zu minimieren?

Nutzen Sie in Ihrer eigenen Produktion Kreislauf- und Müllvermeidungskonzepte?

Auf jeden Fall. Als ich hier vor 40 Jahren meine Ausbildung zum Industriemechaniker machte, gab es zwei Abfallbehälter. Einen für Späne, den anderen für Müll. Heute trennen wir Reststoffe sortenrein in unterschiedlichste Fraktionen. Kunststoffteile für unsere Maschinen fertigen wir heute additiv, wobei keine Abfälle entstehen. Metalle werden getrennt in die Stoffkreisläufe zurückgegeben. Kunststofffolien ebenfalls. Die Menge an Restmüll ist dadurch sehr überschaubar. Zumal wir unsere Mitarbeiter mit Tassen statt Plastiktrinkbechern ausgestattet und Wasserspender aufgestellt haben. Wir setzen moderne energieeffiziente Fertigungstechnik ein, haben weitestgehend von pneumatischer auf elektrische Antriebstechnik umgestellt. Und da wir neben der Umreifungstechnik auch die entsprechenden Kunststoffbänder herstellen, setzen wir auch hier auf konsequentes Recycling. Produktionsabfälle und Anfahrverluste führen wir komplett in den Prozess zurück.

Welche Lösungen für die Circular Economy bieten Sie Ihren Kunden an?

Mit größeren Kunden arbeiten wir an Vereinbarungen, dass sie die Kunststoffbänder sammeln und zur Wiederverwertung an uns zurückgeben. Vorteil: Die eingesetzten Kunststoffe sind zu 100 Prozent recyclingfähig. Allerdings sind direkte Kreisläufe in logistischer und ökonomischer Hinsicht schwierig umzusetzen. Denn die gebrauchten Bänder haben großes Volumen bei wenig Gewicht, solange sie nicht zerhäckselt sind. Aber wir treiben das Thema voran. Meine Frau ist da sehr aktiv und setzt Projekte mit Partnerfirmen um. Daneben arbeiten wir an energieeffizienter Umreifungstechnik mit elektrischen Antrieben. Der größere Hebel liegt aber bei den Bändern, die wir in drei Kunststoffsorten anbieten: PET, Polypropylen und als industriell kompostierbarer Biokunststoff PLA. PET-Bänder produzieren wir zu 100 Prozent aus Bottleflakes – also gehäckselten PET-Flaschen, die nicht mehr in den Stoffkreislauf der Getränkeindustrie rückführbar sind. Beim PLA kommt es darauf an, dass er tatsächlich kompostiert wird. Gelangt er in den Kreislauf anderer Kunststoffe, wirkt sich das negativ auf die Qualität der Rezyklate aus. Außerdem war das PLA bislang um bis zu Faktor sechs teurer als konventionelle Kunststoffe.

Wie wirkt sich das Thema auf Ihre Forschung und Entwicklung und auf Ihre Zusammenarbeit mit Ihren Kunden und deren Materiallieferanten aus?

Wir kooperieren in der Forschung und Entwicklung immer enger mit Partnerfirmen, um Kreislauflösungen zu etablieren. Das ist unbedingt notwendig, weil Stoffkreisläufe nur dann funktionieren werden, wenn die beteiligten Maschinenbauer, Material- und Recyclingspezialisten sowie die Anwender sich über ihre Anforderungen und Bedarfe austauschen. Daneben treiben wir die Vernetzung im industriellen Internet der Dinge (IIoT) und KI-Anwendungen voran, unter anderem damit wir Predictive-Maintenance-Lösungen für unsere Maschinen anbieten zu können. Denn wenn Maschinen ihren Wartungsbedarf melden, laufen sie störungsfreier, produzieren weniger Ausschuss und letztlich verlängert es auch ihren Lebenszyklus. Auch das gehört für mich zum nachhaltigen Wirtschaften. Daneben treiben wir auf der Suche nach nachhaltigen Lösungen viele kleine Forschungsprojekte voran. Unter anderem eines mit japanischen Spezialisten, die ein altes Verfahren zur Herstellung von Papierbändern aus mehreren Schichten Papier und Naturharzen reaktivieren. Wir versuchen, eine Lösung zur industriellen Verarbeitung dieser Bänder zu entwickeln. Im Hintergrund gibt es einen Weltkonzern, der diese Bänder gerne einsetzen würde. Ein weiteres Forschungsfeld betrifft unsere Transportsicherungen. Wir treiben hohen Aufwand, um optimale Sicherungen mit so wenig Material wie möglich zu realisieren. Dafür bauen wir aktuell ein technisches Labor auf, in dem wir systematisch untersuchen, mit wie viel Material sich Transportgut optimal sichern lässt.

Steigt die Nachfrage nach Ihrer Circular Competence weltweit – oder ist das eher ein regional begrenztes Phänomen?

Es ist schon vor allem ein deutsches und europäisches Thema. Aber auch in den USA steigt das Bewusstsein dafür, dass wir im Sinne des Ressourcen- und Umweltschutzes Stoffkreisläufe etablieren sollten. In Schwellenländern haben die Menschen aber oft andere Probleme. Wobei Initiativen wie die Plastic-Bank konkret daran arbeiten, das zu ändern. Sie bezahlen Menschen dafür, dass sie Müll und Kunststoffe sammeln. Es ist nicht viel Geld, das die Sammlerinnen und Sammler damit verdienen. Aber wenn man bedenkt, dass fast 90 Prozent des Plastiks in den Weltmeeren aus drei Flüssen in Afrika und Asien stammt, dann wird klar, dass diese Initiative Hebelwirkung entfalten kann. Es geht darum, vor Ort Müllsammelsysteme zu etablieren und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die enthaltenen Rohstoffe einen Wert haben und nicht in der Umwelt landen sollten. Neben den regionalen Unterschieden macht es viel aus, ob Lösungen für den B2B-Markt oder für das Endkundengeschäft gefragt sind.

Umweltschutz ist oft regulatorisch getrieben. Sind die Rahmenbedingungen für den Einstieg in die Circular Economy richtig gesetzt?

Die Politik muss uns Raum lassen, um Lösungen zu entwickeln. In den letzten Jahren ist ein sehr klares Bewusstsein dafür entstanden ist, dass wir nachhaltige Lösungen brauchen. Alle Maschinenbauunternehmen und alle Materialanbieter, die ich kenne, arbeiten intensiv daran. Die Richtung stimmt. Doch es brechen Unmengen von häufig nicht zu Ende gedachter Bürokratie und Regulatorik über uns herein, die Kräfte und Ressourcen binden. Zusätzlich gibt es ein Ungleichgewicht zwischen Produkten, die in der EU produziert werden und solchen, die importiert werden. Letztere unterliegen oft laxeren Regeln und Kontrollen. Auch bei steuerlichen Abgaben ist diese Ungleichheit unübersehbar. Zugleich lässt die Politik riesige Schlupflöcher und Grauzonen, die oft demotivierend wirken. Müllexporte in Länder mit schwacher Umweltregulierung sind so ein Fall, der ganz sicher nicht zum Vertrauen beiträgt, das wir für funktionierende Materialkreisläufe so dringend benötigen. Ich wünsche mir, dass die Politik für die anstehenden Transformationsprozesse einen anderen Ton anschlägt, dass wir von Schuldzuweisungen wegkommen und es als gemeinsame Aufgabe begreifen, die stoffliche Nutzung von Rohstoffen so lange in Kreisläufe zu lenken, bis nur noch eine thermische Verwertung möglich ist. Wir sind doch längst aufgebrochen. Wir suchen und finden doch längst Lösungen – aus eigenem Antrieb. Regulierung hemmt in den meisten Fällen mehr, als sie der Sache dient.

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