Die in Hamburg ansässige Unternehmensberatung Apenberg & Partner besteht seit mittlerweile 35 Jahren und ist in der Druck- und Verpackungsindustrie bestens etabliert. Die angebotenen Beratungsleistungen beinhalten Unterstützung bei der strategischen Neuausrichtung, der Restrukturierung, dem Unternehmensverkauf sowie bei der Direktsuche von Führungskräften und Spezialisten. Eine kürzlich vom Unternehmen durchgeführte Umfrage kam unter anderem zu dem deutlichen Schluss, dass 76 % der Befragten ihren eigenen Daten nicht vollumfänglich trauen und prozesstechnischen Fehlern selten zur Gänze auf den Grund gehen. Zeit für ein Interview: P3 sprach mit Geschäftsführer und Namensgeber Michael Apenberg über Digitalisierung, Fachkräfte und den allgemeinen Gesundheitszustand der Branche.
Michael Apenberg, Geschäftsführer der Hamburger Unternehmensberatung Apenberg & Partner GmbH.
Herr Apenberg, wollen wir damit anfangen, dass Sie kurz sich und Ihr Unternehmen vorstellen?
Apenberg & Partner wurde 1987 in Hamburg gegründet. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich in verschiedenen Managementpositionen im Verkauf und Marketing bei der Agfa-Gevaert AG, Graphic Division, Leverkusen/Antwerpen, tätig. Apenberg & Partner gehört heute zu den führenden Unternehmensberatungen in der Druckindustrie, Verpackungsindustrie, Papierindustrie und den Printmedien. Unsere Kunden sind mittelständische Unternehmen und Konzerne der grafischen Zulieferindustrie. Mit 250 Kunden und mehr als 1.000 Projekten zählen wir zu den Top-Adressen in der Branche.
Eine von Apenberg & Partner durchgeführte Umfrage kam kürzlich unter anderem zu dem Schluss, dass 76 % der befragten Unternehmer und Bereichsleiter ihren eigenen Daten nicht trauen. Gleichzeitig kam eine andere Befragung zu dem Ergebnis, dass 85 % aller Druckereibetriebe innerhalb der nächsten zwölf Monate planen, ihre Liquidität zu steigern. Nimmt man beides zusammen, ergibt sich ein leicht verstörendes Bild. Wie geht es der Druckbranche Ihrer Einschätzung nach derzeit tatsächlich?
Die Ergebnisse haben uns in der Deutlichkeit auch überrascht. Auf der anderen Seite ist der Anspruch, Entscheidungen datenbasiert zu untermauern, in der Druckindustrie - mit Ausnahme der Onlinedrucker - nicht besonders ausgeprägt.
Was finden Anbieter etablierter MIS/ERP-Systeme heute vor, wenn sie zur Präsentation oder zur Bedarfserhebung in Druckereibetriebe kommen, und wieviel Vertrauen wird ihnen entgegengebracht?
„Unternehmen, die sich mit der Einführung eines MIS/ERP-Systems befassen, sind in der Regel ungenügend vorbereitet.“
Michael Apenberg, Geschäftsführer von Apenberg & Partner.
Unternehmen, die sich mit der Einführung eines MIS/ERP-Systems befassen, sind in der Regel ungenügend vorbereitet. Sie unterschätzen die strategische Relevanz bei der Einführung eines neuen ERP-Systems. Das Vertrauen, dass das jeweilige IT-System schon der Lage sein wird, die zukünftigen Unternehmensanforderungen vollumfänglich abzubilden, ist unserer Meinung zu groß.
Ist umfassende Softwareunterstützung vielleicht auch eine Generationenfrage?
Das glauben wir eher nicht. Das Bewusstsein, sein Unternehmen optimal digital aufzustellen ist generationenübergreifend. Allerdingst treffen junge Manager ihre Entscheidungen deutlich faktenbasierter.
Kritik an den verfügbaren Lösungen ist schon in früheren Umfragen laut geworden, insbesondere wenn es um die zeit- und kostenintensive Implementierungsphase ging. Wird die am Markt verfügbare Branchensoftware nicht dicht genug an den Anforderungen der Nutzer entwickelt oder sind sich Druckereien oftmals ihrer eigenen Prozesse nicht bewusst und können diese daher nicht präzise abbilden?
Letzteres ist der Fall. Wie schon zuvor gesagt: Wer über keinen klaren Geschäftsplan verfügt, darf kein ERP-System einführen.
Die Themen Industry 4.0 und Digitale Transformation dominieren in Industrie und Wirtschaft schon seit Jahren. Hat die Druckindustrie den Trend bzw. die Notwendigkeit verkannt, oder wo sehen Sie die Ursachen für den teils beträchtlichen Nachholbedarf?
Wie in allen Branchen, ist auch das Interesse der Druckindustrie an digitaler Transformation sehr groß. Die Bedeutung der Digitalisierung für das zukünftige Geschäft wird jedoch unterschätzt. Dass es in der Branche einen beträchtlichen Nachholbedarf gibt, können wir aus unserer Beratungspraxis bestätigen. Wer die Anforderungen an die Digitalisierung im eigenen Unternehmen nicht strategisch beantworten kann, wird an der Komplexität der Aufgaben scheitern.
Ketzerisch gefragt: Ist ein von wenig prozessbegleitender IT-Unterstützung geprägter Druckereibetrieb dafür auch weniger anfällig für Cyberthreads? Das zunehmend in den Fokus rückende Thema Cybersecurity erfordert ja zusätzliche – oft nicht unerhebliche – Ressourcen, die über die eigentliche Digitalisierung hinaus aufgebracht werden müssen.
„Cybersicherheit rückt immer mehr auf die Agenda und bedarf professioneller Unterstützung.“
Michael Apenberg, Geschäftsführer von Apenberg & Partner.
Da sprechen Sie eine wunde Stelle in allen mittelständigen Betrieben an. Nicht nur in der Druckindustrie. Cybersicherheit rückt immer mehr auf die Agenda und bedarf professioneller Unterstützung.
Die Beschaffung liquider Mittel wird in der Druckbranche in erster Linie durch die Veräußerung (und ggf. Rückmietung) von Anlagevermögen realisiert. Fehlt es an attraktiven und visionären Finanzierungsmodellen, oder halten Sie damit das Ende der Fahnenstange für erreicht?
Die beste Methode, liquide Mittel zu generieren, ist, ein nachhaltig profitables Unternehmen zu führen. In Anbetracht des Mottos „Liquidität vor Rentabilität“ kann ich nachvollziehen, warum Betriebe durch Auflösung ihrer stillen Reserven ihre Liquidität auf diese Weise verbessern. Allerdingst sollten sie beachten, dass die Rückmietung in der Regel zu höheren Kosten erfolgt, was die Profitabilität wieder belastet.
In den Top 5 zur Mittelbeschaffung fand sich außerdem – etwas überraschend – ein konsequenteres Mahnwesen. Verbergen sich dort tatsächlich ungehobene Potenziale – und zeigt die Zahlungsmoral mangelnden Respekt vor der Leistung und Produktqualität der Druckbetriebe?
Irgendjemand muss ja das Umlaufvermögen finanzieren. Treffen Sie eine Entscheidung! Wer braucht schon Kunden, die nicht zahlen. Niemand! Aus meiner Sicht ist ein konsequentes Mahnwesen zwingend erforderlich. Wenn Sie das unterlassen, werden die Kunden ihre Zahlungsziele nach ihren Lieferanten ausrichten.
Haben Sie in den Jahren der Pandemie und jetzt im Angesicht von Ukrainekrieg, Liefer- und Energie(kosten)krise eine Zunahme der Insolvenzen beobachten können? Und wenn ja, wie tragfähig und überhaupt umsetzbar sind aktuell Fortführungs- und Übernahmekonzepte?
Eine Zunahme der Insolvenzen ist bis heute nicht zu erkennen. Die Anzahl der Unternehmen, die eine Insolvenz anmelden mussten, liegt unter denen vor der Pandemie. Für die Zukunft werden die Insolvenzen wieder steigen. Einen Nachholeffekt werden wir nach unserer Einschätzung jedoch nicht erleben.
Wird der anhaltende Fachkräftemangel aus Ihrer Sicht derzeit noch als wesentliches Problem wahrgenommen, oder hat sich der Fokus auf andere Sorgen verschoben?
Das ist das Top-Thema dieser Dekade und gefährdet vielerorts das Wachstum gesunder Unternehmen. Aus unserer Sicht müssen die Unternehmen ihre Recruiting-Strategie überdenken und sich stärker auf die Gewinnung und Ausbildung von Quereinsteigern konzentrieren. In diesen Tagen starten wir von Apenberg & Partner eine umfangreiche Studie zu diesem Thema.
Gibt es ein Problemfeld, über das wir bislang noch nicht gesprochen haben?
Jede Branche hat ihre Herausforderungen. Damit es nicht zu neuen Problemfeldern führt, sollten wir alle mehr über Lösungen nachdenken und die konsequent umsetzen.
Abschließende Frage: Was würden Sie kleinen und mittelständischen Druckbetrieben jetzt raten, um künftig gut aufgestellt zu sein?
Habe einen guten Plan! Setze diesen tatkräftig um. Lass die anderen reden!
Herr Apenberg, vielen Dank für das Interview!
76 Prozent der Teilnehmer gaben an, Entscheidungen nicht immer aufgrund von erhobenen Daten zu treffen. Je größer die Unternehmen werden, um so häufiger bilden Daten die Basis für Entscheidungen.
Eine detaillierte Analyse der Antworten zeigt eine Korrelation zwischen der Schnittstellenverfügbarkeit und der Zufriedenheit mit dem ERP/MIS-System: Diejenigen, deren Systeme über Schnittstellen flexibel zu gestalten sind, haben einen höheren Grad der Zufriedenheit – und umgekehrt.
Bei 24 Prozent der Unternehmen kommt es zu Fehlproduktionen aufgrund von Fehlern in der Vorstufe. Je geringer der Automatisierungsgrad in der Vorstufe, desto größer ist die Fehlerquote.
31 Prozent der Unternehmen sind nicht in der Lage, aktuellen Aufträge in der Produktion digital zu verfolgen. Hier sind die Mitarbeiter bei Kundenrückfragen darauf angewiesen, die Informationen aufwändig zu beschaffen.
16 Prozent der Unternehmen unterstützen die These, dass ihr Controlling durch die Betriebsdatenerfassung sehr stark profitiert. 46 Prozent der Teilnehmer sind hingegen nicht der Auffassung, dass ihr Controlling durch die Betriebsdatenerfassung Probleme feststellen kann.
Redaktion: sbr
Abbildungen: Jan Northoff [1,8]; Apenberg & Partner [2-7]