P3 5-6/2022 de

Was bedeutet eigentlich ...

Vorwinkelung im Druckraster

Bildungslücke

 

Diesmal geht es in der Bildungslücke um ungewollte Überlagerungseffekte im Druck, sogenannte Moirés. Ronald Weidel von der Gutenbergschule Leipzig erläutert Konzepte, die Abhilfe schaffen, und erklärt in diesem Zusammenhang die Vorwinkelung im Druckraster.

Die Darstellung von Graustufen im Druck wird mit Hilfe der Rasterung technisch realisiert. Dazu werden die einzelnen Helligkeitsstufen eines Farbauszugs vom Rasterimageprozessor (RIP) in Rasterpunkte umgerechnet. Je nach Flächendeckung des Rasterpunktes entsteht ein heller oder dunkler Bildbereich. Nachteil dieser Technologie sind ungewollte Strukturen bei minimalen Lageabweichungen. Es entstehen Überlagerungseffekte, die auch als Interferenz bezeichnet werden. Im drucktechnischen Kontext wird von einem Moiré gesprochen, siehe Abbildung 1.

Um ein Moiré zu vermeiden bzw. im eigentlichen Sinne zu verringern, wurde die Rasterwinkelung entwickelt. Durch Winkelung der einzelnen Farbauszüge verringern sich die Überlagerungseffekte, sodass störende Musterbildungen im Druckbild nicht mehr erfasst werden. Je nach Rasterpunktform (z.B. rund oder elliptisch) umfasst der verfügbare Winkelbereich 90° oder 180°. Abbildung 2 zeigt eine klassische Winkelung eines Vierfarbsatzes in CMYK mit rundem Rasterpunkt in einem 90°-Raum. In der Mitte zeigt sich die klassische Rosette.

Soweit das bekannte Konzept der Rasterwinkelung, welches für die Mehrheit der Druckverfahren funktioniert. Bei einigen Druckverfahren gibt es aber weitere Strukturen zu beachten, die sich negativ auf das Druckbild auswirken können. Dazu zählt beispielsweise der Siebdruck. Im Siebdruck wird ein Gewebe als Schablonenträger benutzt. Das Gewebe besteht aus waagerechten und senkrechten Fäden, die für sich genommen wieder eine regelmäßige Struktur erzeugen. Nutzen wir beispielsweise die Standardrasterung wie in Abbildung 2 gezeigt, kommt es zwangsläufig zwischen dem Yellow-Farbauszug unter 0° und dem Gewebe zu Überlagerungseffekten. Dieser Effekt wird besonders stark sichtbar, wenn die Gewebefeinheit, also der Fadenabstand und die Rasterweite des Druckrasters, ähnliche Größenordnungen haben. Mit Verweis auf den geringen Farbkontrast der Farbe Gelb ist das Ergebnis vielleicht noch akzeptabel. Steigt der Farbkontrast hingegen, wird das Moiré, ausgelöst durch die Gewebestruktur, störend sichtbar. In diesem Fall hilft die Vorwinkelung weiter. Dazu sind zwei Konzepte im Siebdruck im Einsatz.

Das erste Konzept beruht auf der Vorwinkelung des Rasterdatensatzes. Statt der üblichen Vierfarbwinkelung 0°,15°, 45° und 75° wird auf jede Rasterwinkelung ein Vorwinkel aufaddiert. Üblicherweise beträgt dieser 7,5°. Diese Winkelgröße ergibt sich aus dem halben Abstand zwischen erstem Farbauszug (Yellow) und zweitem Farbauszug (Magenta) in der Standardwinkelung. Mit einem Vorwinkel von 7,5° ergeben sich folgende neue Rasterwinkel: Yellow = 7,5°, Magenta = 22,5°, Key = 52,5° und Cyan = 82,5°. Durch die Vorwinkelung bleiben die Abstände der Rasterwinkel untereinander bestehen. Abbildung 3 zeigt, dass lediglich der Anfangspunkt versetzt wird. Die 0°-Position wird für das Gewebe freigeben.

Das zweite Konzept bezieht die Vorwinkelung nicht auf den Datensatz, sondern auf das Gewebe. Beim Bespannen des Siebes wird das Gewebe um 7,5° zum Rahmen verdreht und anschließend verklebt (siehe Abbildung 4). Dadurch bleibt die Rasterwinkelung der Farben unangetastet und kann standardgemäß gedruckt werden. Ein wesentlicher Nachteil dieser Vorgehensweise besteht im deutlich größeren Gewebebedarf beim Siebspannen.