P3 5-6/2023 de

Was bedeutet eigentlich ...

Duale Berufsausbildung in der BRD

Bildungslücke

 

Eine der großen Herausforderungen dieser Tage ist die Sicherstellung des fachlichen Nachwuchses. Der Abgang der Generation der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt reißt absehbar große Lücken in die Kollegien der Druck- und Verpackungsindustrie. Laut Pressemitteilung Nr. 330 vom August 2022 des statistischen Bundesamtes umfasst diese Gruppe in Deutschland knapp 12,7 Mio. Erwerbstätige.

Gleichzeitig beobachten wir starke Rückgänge bei den Ausbildungsverträgen in der Branche. Der Statistikbericht des Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und Medien (ZFA) für das Ausbildungsjahr 2022/2023 vom Juli 2023 weist einen Rückgang über die Gesamtheit der Ausbildungsverträge im Druck- und Medienbereich gegenüber dem Vorjahr um 5,42 % aus. Das entspricht aktuell bundesweit 8.723 Verträgen. Im Berichtsjahr 2006 waren es beispielsweise noch 16.857 Ausbildungsverträge.

Das duale Prinzip

Der Fachkräftenachwuchs wird zu einer der großen Herausforderungen der Zukunft. Die Automatisierung und Qualifizierung von Quereinsteigern hilft beim Lückenschließen, ersetzt allerdings keine grundlegende Ausbildung. Die duale Ausbildung ist einer der Grundpfeiler für die Versorgung des Arbeitsmarktes mit Nachwuchs. Eine gute Gelegenheit, einen Blick auf dieses System zu werfen und aktuelle Entwicklungen aufzuzeigen. Der Begriff duale Ausbildung bezieht sich auf die Kombination der zwei Lernorte Ausbildungsbetrieb und Berufsschule. Zwischen diesen beiden Partnern wird die Ausbildungsarbeit geteilt. Häufig wird in diesem Zusammenhang von praktischer und theoretischer Ausbildung gesprochen. Diese Zuordnung trifft nicht ganz zu, denn auch die Ausbildungsbetriebe sind aufgefordert, betriebsspezifische theoretische Fachinhalte zu vermitteln. Im Gegenzug werden an der Berufsschule im gerätegestützten Unterricht praktische Tätigkeiten unterrichtet. Die Ausbildungsinhalte finden sich in länderübergreifenden Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen wieder. Diese sogenannten Ordnungsmittel werden unter Leitung des Bundesinstituts für Berufliche Bildung in gemeinschaftlichen Kommissionen aus Vertretern von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Lehrern erstellt.

Der dritte Partner sind die Kammern. Für gewerblich-technische Berufe sind die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Handwerkskammer (HWK) zuständig. Die Zugehörigkeit zu einer dieser Kammern entscheidet sich nach Art und Tätigkeit des Unternehmens. Die Kammern agieren in der Berufsausbildung als übergeordnete Instanz. Sie beraten ihre Unternehmen in Fragen der Ausbildungsdurchführung, überwachen den Ausbildungsprozess und nehmen die Prüfung ab. Gleichzeitig sind die Kammern Anlaufstelle und Schlichter bei schwerwiegenden Schieflagen in der Ausbildung.

Die Vorteile des dualen Systems gegenüber einer rein schulischen Berufsausbildung liegen in der engen Verzahnung der Beteiligten. Die Auszubildenden erhalten von Anfang an einen realen Einblick in den Berufsalltag. Die Ausbildungszeiten verteilen sich auf ca. 2/3 im Ausbildungsbetrieb und 1/3 in der Berufsschule. In Abhängigkeit vom Berufsfeld und dem Einzugsgebiet existieren an den Berufsschulen im Wesentlichen zwei Modelle der Beschulung. Das Wochenmodell wird gerne gewählt, wenn die Distanz zwischen Betrieb und Schule eher gering ist. Die Auszubildenden besuchen zwei Tage die Schule und sind drei Tage im Betrieb. Demgegenüber steht das Blockmodell mit zwei- bis dreiwöchigen Beschulungszeiten. Dazwischen sind die Auszubildenden ca. 6 bis 8 Wochen im Betrieb. Gerade in Einzugsbereichen über mehrere Bundesländer ist ein Blockunterricht kaum zu umgehen. Neben den häufig vorkommenden Berufsgruppen, wie beispielsweise im kaufmännischen Bereich, gibt es viele Spezialisten, z.B. Optiker oder Siebdrucker. Häufig werden in diesem Fall einzelne Berufsschulstandorte beauftragt, Landes- oder Bundesfachklassen zu bilden, um eine ausreichende Schülerzahl zu erhalten.

Selbst ausbilden

Möchte ein Unternehmen ausbilden, führt der erste Weg zur zuständigen IHK oder HWK. Dort erhält man alle notwendigen Informationen zu den Berufsfeldern, Prüfungsabläufen, Berufsschulstandorten und Ausbildungsanforderungen. Grundsätzlich gilt, dass der angestrebte Ausbildungsberuf auch im eigenen Unternehmen ausgebildet werden kann. Dazu zählen die nachgewiesene Eignung der ausbildenden Person, die Abbildung des beruflichen Umfeldes und ggf. die notwendige technische Ausstattung. Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) und die Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) legt die Anforderungen an die künftig ausbildende Person fest. Nach §28 BBiG ist geeignet, wer die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen zur Ausbildung erfüllt. Bildungsträger und Kammern bieten verschiedene Qualifizierungskurse an, um die Ausbildereignung zu erlangen. Diese sogenannte „Ausbildung der Ausbilder“, auch AdA-Kurs, berechtigt nach erfolgreichem Abschluss zur Ausbildung. Für freie Berufe wie z.B. Ärzte, Rechtsanwälte etc. gilt das abgeschlossene Studium als gültige Vorrausetzung. Im Handwerk darf nur ausbilden, wer die Meisterprüfung im entsprechenden Beruf abgelegt hat. Für eine erste Orientierung hilft das Gespräch mit Geschäftspartnern, die bereits ausbilden, ein Besuch von Berufs- und Bildungsmessen oder auch der Besuch zum Tag der offenen Tür an Berufsschulen.

Azubis finden

Sind alle Formalitäten erledigt, beginnt die eigentliche Herausforderung: Geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Die Beobachtungen am Ausbildungsmarkt sind eher beunruhigend. In Deutschland scheint die Ausbildung für Jugendliche zunehmend unattraktiv zu sein. Seit Jahren übersteigt in Deutschland das Angebot an Ausbildungsplätzen die Nachfrage. Nach Auswertung von Statista lag 2022 das Angebot bei 544.012 Stellen. Besetzt wurden 497.829 Stellen. Das macht eine Differenz von knapp 50.000 unbesetzten Ausbildungsplätzen; ein neuer Rekordwert. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Studienanfänger. Laut Statista lag die Studienanfängerquote im Jahr 2022 bei 54,7 %. Im Vergleich dazu lag sie im Jahr 2000 noch bei 33,3 %. Die Studienanfängerquote ist der Anteil der Bevölkerung eines jeden Geburtsjahrganges, der ein Studium beginnt. Das heißt, jeder zweite strebt zunächst ein Studium an. Hinzu kommen die auf hohem Niveau stagnierenden Abbruchszahlen. Laut dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) liegen die Abbruchquoten in den Natur- und Ingenieurswissenschaften am höchsten. Für den Abschlussjahrgang 2020 waren das beispielsweise knapp 50 % in den Naturwissenschaften und 35 % bei Ingenieurswissenschaften. Im Gegenzug gibt es einen großen Anteil an Jugendlichen, die die Schule ohne jeglichen Abschluss verlassen. Nach Auswertung von Statista für den Abschlussjahrgang 2021 verließen 47.490 Personen eine allgemeinbildende Schule ohne Abschluss.

Ein Vergleich der Zahlen zeigt, in welchen Bereichen gesucht werden muss. Aus ökonomischer Sicht sind die genannten Abbruchszahlen sowohl an allgemeinbildenden Schulen als auch an Hochschulen nicht akzeptabel. Eine gezielte Ansprache von potenziellen Bewerbern zeigt die größten Erfolge. Ein aussagekräftiges Anforderungsprofil und eine detaillierte Tätigkeitsbeschreibung helfen, Fehlvorstellung zu vermeiden und das Interesse bei künftigen Azubis zu wecken. Die Teilnahme an Berufsmessen oder Orientierungstagen an allgemeinbildenden Schulen hilft enorm, um persönliche Kontakte herzustellen. Zudem sollten die zahlreichen Angebote von Arbeitsagentur, Bildungsträgern, Kammern und Gewerkschaften sowie regionale Plattformen von Wirtschaftsverbänden intensiv genutzt werden.