P3 3-4/2022 de

Verband der Wellpappen-Industrie e.V.

Fokus Wellpappe: Wachstum vs Kostendruck

Brancheninterview

Der Verband der Wellpappen-Industrie e.V. (VDW) wurde am 25. Mai 1948 gegründet und vertritt heute 32 Wellpappenunternehmen mit etwa 100 Werken in Deutschland – damit repräsentiert er rund 80 Prozent der deutschen Wellpappenproduktion. Der Verband ist Interessenvertretung und Sprachrohr der Branche gegenüber den Abnehmerindustrien, dem Handel, den Behörden, der Politik und der Öffentlichkeit. Die Information verschiedenster Zielgruppen nimmt daher einen hohen Stellenwert ein. Dazu pflegt der VDW eine aktive Öffentlichkeitsarbeit, gibt zahlreiche Publikationen heraus, führt Informationsveranstaltungen durch und ist auf Fachtagungen mit Experten vertreten.

Dr. Oliver Wolfrum führt seit Juli 2007 die Geschäfte des Verbandes und vertritt die Branche in der Öffentlichkeit, gegenüber staatlichen Stellen und der Politik. Im P3-Interview spricht er über die aktuelle Lage, Problemstellungen und die Vorteile von Wellpappe im Produktversand.

Herr Dr. Wolfrum, bereits die Bilanz 2021 der Wellpappenindustrie bescheinigte der Branche ein kräftiges Wachstum, jedoch unter extremem Kostendruck. Von einer Entspannung kann derzeit vermutlich keine Rede sein, oder?

Das ist leider richtig. Der Erzeugerpreisindex des Statistischen Bundesamtes für Erdgas bei Abgabe an die Industrie hat sich allein von Januar bis April um 29 Prozent erhöht. Der vom VDW über alle Sorten hinweg gewichtete Preisindex für Wellpappenrohpapier ist von September 2020 bis Januar 2022 um 66,8 Prozent gestiegen, der VDW-gewichtete Preisindex für die besonders relevanten altpapierbasierten Sorten kletterte im gleichen Zeitraum sogar um 74,1 Prozent in die Höhe. Beide Indizes verharren seitdem auf diesem extrem hohen Niveau. Als Entspannung kann man das nicht bezeichnen. Hinzu kommen Kostensteigerungen bei Stärke, Kraftstoff und Logistik, die den Druck zusätzlich erhöhen.

Ist die Liefer- und damit Überlebensfähigkeit der Wellpappe-Produzenten in Deutschland unter den aktuellen Umständen gewährleistet?

Die VDW-Mitglieder haben in den zurückliegenden Jahren immer wieder eindrucksvoll bewiesen, dass sie auch in unter extrem herausfordernden Bedingungen alles daransetzen, ihren Abnehmerindustrien gegenüber zuverlässig zu bleiben. Und mit dieser positiven Grundhaltung begegnen sie auch der aktuellen Lage. Angewiesen ist die Wellpappenindustrie – wie auch andere Wirtschaftsbereiche – dabei darauf, dass die Gasversorgung sichergestellt wird.

Einen erheblichen Teil des massiven Kostendrucks schultert also aktuell vor allem die Wellpappenindustrie, die dies nicht im eigentlich notwendigen Maß an die Abnehmerseite weitergeben kann.

Dr. Oliver Wolfrum, Geschäftsführer des VDW.

Werden die Kostensteigerungen auf Zulieferseite weitergegeben?

Der erwähnten Steigerung beim Gesamtpreisindex für Wellpappenrohpapier – also 66,8 Prozent von September 2020 bis Januar 2022 – steht im gleichen Zeitraum eine wesentlich geringere Veränderung beim Preisindex für Wellpappe gegenüber, nämlich ein Plus von nur 26,9 Prozent. Das verdeutlicht: Die VDW-Mitglieder mussten ihr Preisniveau anpassen, aber es klafft weiterhin eine große Lücke zwischen der Preisentwicklung bei unserem wichtigsten Rohstoff und bei unserem Produkt. Einen erheblichen Teil des massiven Kostendrucks schultert also aktuell vor allem die Wellpappenindustrie, die dies nicht im eigentlich notwendigen Maß an die Abnehmerseite weitergeben kann.

Wird auf politischer Ebene – sowohl in Deutschland als auch in Europa – aus Ihrer Sicht richtig reagiert und genügend getan?

Es geht hier letztendlich um essenzielle Voraussetzungen für ein reibungsloses Funktionieren systemrelevanter Wirtschaftsbereiche – und diese müssen darauf zählen können, dass die Politik sich entsprechend stark dafür einsetzt, die Energieversorgung zu sichern. Die Wellpappenindustrie wurde während der Pandemie wegen ihrer unverzichtbaren Rolle mit Blick auf Transportverpackungen für Lebensmittel den systemrelevanten Bereichen zugerechnet. Zwei Drittel aller Transportverpackungen bestehen in Deutschland aus Wellpappe. Nahrungs- und Genussmittel, aber auch Vorleistungsgüter für andere Industrien und schnelldrehende Konsumgüter zählen zu den wichtigsten Abnehmerbereichen unserer Branche. Wir sind also tatsächlich ein unverzichtbares Zahnrad im wirtschaftlichen Gesamtgefüge. Was in den letzten Wochen auf politischer Seite geleistet wurde, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, ist ohne Zweifel bereits das Ergebnis eines erheblichen Kraftaktes. Vor nicht allzu langer Zeit hätte man dies kaum für möglich gehalten. Man darf jetzt aber in den Anstrengungen nicht nachlassen, um Wirtschaftsbereiche wie die Wellpappenindustrie noch besser vor möglichen negativen Konsequenzen zu schützen.

Ist die Wellpappenindustrie Ihrer Einschätzung zufolge technologisch – Stichwort Digitalisierung – bereits optimal aufgestellt, oder gibt es Nachholbedarf? Sind Investitionen aktuell überhaupt im notwendigen Ausmaß machbar?

Die VDW-Mitglieder arbeiten laufend daran, sich immer besser aufzustellen, sei es nun im Bereich Digitalisierung oder bei der Energieeffizienz. Das ist ein permanenter Lern- und Wachstumsprozess, der ja auch nie wirklich abgeschlossen ist. Natürlich machen der hohe Kostendruck, Marktverwerfungen und damit einhergehende Unsicherheiten Investitionsentscheidungen aber nicht leichter. Hier werden sicherlich viele Unternehmen – und das nicht nur in unserer Branche – also noch sorgfältiger abwägen und Prioritäten setzen.

Der Altpapierkreislauf ist in unseren Augen fest etabliert und breit akzeptiert.

Dr. Oliver Wolfrum, Geschäftsführer des VDW.

Wellpappenrohpapier besteht in Deutschland zu etwa 80 Prozent aus Recyclingmaterial. Funktioniert der Recyclingkreislauf noch, oder kommt es auch hier durch Kostenexplosionen zu Verschiebungen und Brüchen in den Lieferketten?

Der Altpapierkreislauf ist in unseren Augen fest etabliert und breit akzeptiert. Verbraucher, kommunale Entsorgungsunternehmen und gewerbliche Betriebe tragen alle dazu bei, diesen funktionierenden Kreislauf zu bewahren und Ressourcen zu schonen. Altpapier ist weiterhin ein begehrter Rohstoff. Der VDW unterstützt schon seit einigen Jahren Entsorgungsunternehmen mit der Kampagne „Mach’s flach“. Mit Aufklebern auf Altpapiertonnen und -containern erinnern wir daran, den Platz darin optimal zu nutzen und so möglichst viel wertvollen Rohstoff wieder in den Kreislauf zurückzuführen. Momentan arbeiten wir übrigens an einer Neuauflage dieser Kampagne – da möchte ich aber in dieser Stelle noch nicht zu viel verraten.

Der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit genießt bei Endverbrauchern und auch in Industrie und Handel einen immer höheren Stellenwert.

Dr. Oliver Wolfrum, Geschäftsführer des VDW.

Welche Vorteile bietet Wellpappe im Produktversand?

Laut einer Studie, die die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung im vergangenen Jahr vorgelegt hat, bestehen 90 Prozent der Verpackungen im Versandhandel aus Wellpappe. Dafür gibt es – neben dem bereits angesprochenen Altpapierkreislauf, der den Empfängern eine einfache Rückgabe des Rohstoffes ermöglicht – viele weitere Gründe. Wellpappe ist dank der namensgebenden Wellen außerordentlich stabil und belastbar bei vergleichsweise geringem Gewicht. Je nach Einsatz der verschiedenen Papiersorten, Wellenformen und der Anzahl der wellenförmig angeordneten Bahnen lassen sich feinere oder robustere Lösungen entwickeln, die die unterschiedlichsten Produkte zuverlässig schützen. Die Bandbreite reicht da im Versandhandel von kleinen, aber stoßempfindlichen Produkten wie Smartphones bis hin zu deutlich schwereren Waren wie etwa Möbeln. Die richtige Verpackung ist optimal auf das jeweilige Produkt abgestimmt und setzt Material möglichst effizient ein – beides lässt sich mit Wellpappe besonders gut und umweltfreundlich umsetzen. Der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit genießt bei Endverbrauchern und auch in Industrie und Handel einen immer höheren Stellenwert. Hier werden insbesondere die nachwachsende Rohstoffbasis und der hohe Recyclinganteil der Wellpappe als wichtige Pluspunkte gesehen. Zunehmend gefragt sich auch auf spezifische Produkte zugeschnittene Verpackungslösungen aus Wellpappe, die ohne Füllmaterialien aus Kunststoff auskommen.

Letzte Frage: Wird es künftig wieder das Forum Wellpappe geben?

Das Forum Wellpappe, zu dem wir früher im Rahmen einer großen Fachmesse eingeladen haben, wird in dieser Form nicht mehr stattfinden. Diese Entscheidung hatten wir bereits vor der Corona-Pandemie bewusst getroffen. Stattdessen haben wir 2021 als neues Format eine eigene Webinar-Reihe ins Leben gerufen. Drei dieser Veranstaltungen haben wir bereits umgesetzt – und das Interesse war ausgesprochen hoch. Deswegen werden wir die Reihe auch weiter fortsetzen. Hinzu kommt: Durch die Pandemie haben sich Online-Veranstaltungen in vielen Bereichen als Mittel der effizienten Informationsvermittlung etabliert und viele möchten auch jetzt nicht mehr auf die damit verbundenen Vorteile verzichten. Mit den Webinaren haben wir uns also ein eigenes Forum für den Dialog mit unseren Mitgliedern und deren Kunden geschaffen, das sogar noch besser in den Zeitgeist passt als ursprünglich erhofft.

Herr Dr. Wolfrum, vielen Dank für das Gespräch!

https://www.wellpappen-industrie.de/

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