P3 7-8/2021 de

70 Jahre GAW Technologies

Innovation aus Tradition

Companies & Markets

Unternehmerischer Mut und eine seit jeher stark ausgeprägte Innovationskultur sind die Ingredienzien der 70-jährigen Erfolgsgeschichte von GAW technologies. Das einst in einer Garage gegründete österreichische Familienunternehmen hat sich innerhalb kürzester Zeit eine starke Marke innerhalb der Papierindustrie aufgebaut und ist aus dieser als verlässlicher Technologiepartner in der Aufbereitung von Chemikalien, Stärke, Coatings, Abwasser und Prozesswasser sowie bei der Automatisierung und Digitalisierung heutzutage nicht mehr wegzudenken.

Als der 1912 geborene Erhardt Pildner-Steinburg im Jahre 1951 das „Grazer Armaturen Werk“ gründet, ahnt er wohl nicht, dass sein Unternehmen sich im Laufe der Zeit in ein exportorientiertes Weltunternehmen weiterentwickeln sollte. Die Erfolgsgeschichte begann in einer Garage in Graz, Österreich. Fünf Mitarbeiter beschäftigte Erhardt Pildner-Steinburg, als er zunächst Wechsel- und Keilriemenscheiben für Holzbearbeitungsmaschinen, aber auch Stoffschieber und Ventile für Zellstoff- und Papierfabriken erzeugte.

Schon bald genügte es Pildner-Steinburg aber nicht mehr, nur Armaturen herzustellen. Sein Interesse galt dem Gesamtwerk, und so begann er, Chemikalienaufbereitungsanlagen für die Papierproduktion zu entwickeln. Ein Auftrag der Welser Papierfabrik 1956 gab dabei den Startschuss für den Erfolgsweg des Unternehmens, weitere Aufträge für Mayr-Melnhof und die Neusiedler AG folgten und legten den Grundstein für den beginnenden Aufstieg des damals noch jungen Unternehmens im Sektor Anlagenbau. Die ersten Anlagen wurden erfolgreich in Betrieb genommen und Pildner-Steinburg, mit entsprechendem Pioniergeist ausgestattet, trieb die Umsetzung seiner Ideen in marktfähige Produkte mit planvoller Akribie voran.

Österreich ist nicht genug

Bereits 1960 begann auch das Ausland auf GAW aufmerksam zu werden. Der erste grenzüberschreitende Auftrag ging ins damalige Jugoslawien, an die Papierfabrik Stremska Mitrovica. Und die Länderliste wird immer länger, man exportiert vom Irak bis Sri Lanka, von Italien bis in die USA, von Portugal bis Südamerika. GAW tritt demnach zu einem Zeitpunkt auf nahezu allen Kontinenten dieser Welt in neue Absatzmärkte ein, als in Österreich noch der Urlaub an den norditalienischen Adriastränden als Zeichen ultimativer Internationalität gegolten hat.

Diese Internationalisierung wurde nach dem frühen Tod von Pildner-Steinburg 1974 unter der Leitung seiner beiden Söhne Jochen und Jörg fortgesetzt. Mit der Gründung von Tochterunternehmen wurde die weltweite Präsenz des Unternehmens systematisch ausgebaut - zunächst in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Kanada, dann in Südafrika. Fortgesetzt wurde die geografische Expansion in den 1990er Jahren in den fernen Osten, insbesondere nach China. Es folgten Brasilien und Indien, und hunderte Referenzprojekte in fast allen Teilen der Erde sprechen eine deutliche Sprache: eine starke lokale Präsenz schafft die Basis dafür, den Kunden wirklich zu verstehen, eng mit ihm interagieren zu können und sich dadurch höchstes Vertrauen zu erarbeiten.

Mit Ingenieurskunst und Innovationskraft zum Hidden Champion

So wie andere führende Familienunternehmen zeichnet auch die GAW sich seit ihren Anfängen durch eine hohe Innovationskraft aus. Durch die konsequente Verbreiterung der Produktpalette sicherte Pildner-Steinburg sich schon sehr bald eine führende Marktstellung auf dem Sektor der Aufbereitungstechnologie, und seine Söhne trieben in weiterer Folge die Entwicklung des Unternehmens zum Anbieter kompletter Turn-Key-Anlagen voran. Dass dieser Plan aufgegangen war, wusste man bei GAW dann definitiv in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, als für die damals weltgrößte Papiermaschine zur Erzeugung dreifach-gestrichenen holzfreien Papiers bei der KNP Leykam (heute SAPPI Gratkorn) die schlüsselfertig gelieferte Pigmentaufbereitungsanlage samt Bevorratung, die Hilfsstoffaufbereitungsanlagen inklusive Lagerung, die Stärkekonvertierungsanlage sowie die komplette Streichküche und die Arbeitsstationen erfolgreich in Betrieb genommen wurden.

Technologisch bemerkenswert und auch heute noch ungeschlagen sind sowohl die selbst entwickelten, damals erstmals zum Einsatz gekommenen ECO-R Druckfilter, als auch die Variable Shear Technology, kurz VST genannt, die auf der stufenlosen Verstellbarkeit der Rotor-Stator-Überdeckung während des Betriebes beruht und somit für sämtliche Anwendungsfälle ein optimales Verhältnis zwischen Umtrieb und Scherung eingestellt werden kann.

Technologisch in der Welt der Kunden zuhause

Die hohe Priorität, die Innovationen bei GAW seit jeher genießen, schlägt sich auch in den F&E-Aufwendungen nieder. Durchschnittlich werden jährlich rund 10 % der Betriebsleistung für Entwicklungsarbeit ausgegeben, wobei der Fokus darauf liegt, den Einsatz von Wasser, Energie und Rohstoffen im Produktionsprozess der Kunden zu reduzieren.

Ein starkes Beispiel, um beeindruckende Ressourceneinsparungen zu erzielen, sind die GAW-Anlagen zur Aufbereitung von Stärke. Und zwar insbesondere dann, wenn native Stärke zur Anwendung kommt, sprich: die enzymatische Stärkeaufbereitung. Indem zwei Fahrweisen auf eine sehr spezielle Art miteinander kombiniert werden, entsteht am Ende des Modifikationsprozesses ein Stärkeleim in der für den jeweiligen Einsatzzweck erforderlichen Viskosität und Molmassenverteilung – und zwar unabhängig von Stärketyp, Stärketemperatur und Feststoffgehalt. Teure Rohstoffverluste sind kein Thema mehr, da die Verweilzeit im System bedarfsspezifisch einstellbar ist und jederzeit, das heißt auch während eines Stopps oder Starts der Anlage, konstant gehalten wird. Und man fährt außerdem nahezu abwasserfrei.

Praktischerweise stellt GAW diese Anlagen auch zur Miete zur Verfügung - ein Angebot, das von Kunden gerne in Anspruch genommen wird, um einerseits Ausfälle oder Engpässe in der Produktion zu überbrücken, andererseits aber auch, wenn es darum geht, parallel Tests mit neuen Rohstoffen umzusetzen.

Ergänzend wurde mit dem patentierten Heat Recovery System ein sehr kompaktes modulares System zur Wärmerückgewinnung entwickelt. Damit ist gewährleistet, dass der nach der Kochung von Stärke entstehende Entspannungsdampf samt darin enthaltener Wärmeenergie nicht ungenützt in die Atmosphäre entweicht und über 50 % an Energie für die Inaktivierung des Jet-Kochers eingespart werden.

Und beim ebenso patentierten Coating Colour Recovery System, einem Verfahren zur Rückgewinnung von Streichfarben, wird nicht nur um 70 % weniger Energie benötigt als bei der Vermahlung von Frischpigment; auch die Abwassermenge wird erheblich reduziert, indem das abgetrennte Klärwasser ebenfalls vollständig in den Prozess zurückgeführt wird.

Ein Großteil der neuen Entwicklungen wird dabei in Entwicklungspartnerschaften mit Kunden direkt in deren Fabriken umgesetzt. Um Pilotversuche und Testreihen durchzuführen, steht diesen aber auch das GAW Technikum zur Verfügung, das mit sämtlichen GAW-Schlüsselkomponenten, Versuchsanlagen und einer umfangreichen Laborausrüstung ausgestattet ist und in dem, neben den vorhin schon erwähnten Innovationen, auch viele andere Ideen erfolgreich umgesetzt wurden und werden.

Aktuell wird beispielsweise an einem neuen Verfahren zur Stärkeaufbereitung mittels Kavitation geforscht. Im Fokus des Projekts steht die Einsparung von Energie durch die Minimierung des Dampfbedarfs, gleichzeitig wird unter anderem aber auch eine erhebliche Reduktion der erforderlichen Enzymmenge, eine Erhöhung der Papierqualität und eine höhere Variabilität des Fahrbereichs erwartet.

Langfristiges Denken und Handeln

2016 wurde der Generationenwechsel bei GAW technologies vollzogen. Seither führen Nina Pildner-Steinburg und Wolfgang Senner das weltweit agierende Technologieunternehmen, das sich durch seinen Service, seine Produkt- und Beratungsqualität als auch Liefertreue eine hohe Reputation erarbeitet hat. Oberstes Ziel der Geschäftsführung ist, das Unternehmen auszubauen und gestärkt an die nächste Generation weiterzugeben. „Dementsprechend ist unsere Unternehmensstrategie auf ein langfristig organisches Wachstum ausgerichtet, das auf einer diversifizierten und globalen Geschäftsstruktur aufbaut. Unser Erfolg basiert darauf, dass unsere Kunden sicher sein können, dass wir in 20 Jahren auch noch da sind“, konkretisiert Nina Pildner-Steinburg. „Mit unserem breiten Portfolio aus Anlagen, Produkten, Services und digitalen Lösungen ist es unser dezidierter Anspruch, unsere Kunden in der Zellstoff- und Papierindustrie genauso wie jene aus den Segmenten Chemie und Verbundstoffe auch weiterhin begeistern zu können“, ergänzt Wolfgang Senner.

Zu den Applikationen im Bereich der vollautomatisierten Aufbereitung und Produktion von Chemikalien, Stärke und Streichmassen sowie der Mahlung von Calciumcarbonat hat man mit GAW water technologies schon vor einiger Zeit auch das Thema Wasser- und Abwasseraufbereitung im Papierherstellungsprozess verstärkt in den Fokus genommen. Mit auf die jeweiligen Anforderungen hin ausgelegten Filtrations- und Membrantrennverfahren für Kesselspeisewasser, Prozesswasser und tertiäres Abwasser kann so der Verbrauch der wertvollen Ressource Wasser und damit der Impact auf Kosten und Umwelt massiv reduziert werden.

Zu 100 % recycelt

Erlauben wir uns einen kurzen Blick weg aus der Papierindustrie. Oder anders gesagt: Was macht GAW erfolgreich? „Wir agieren definitiv höchst flexibel und dynamisch, wenn die Unternehmensumwelt es erfordert oder wir Chancen erkennen“, so Nina Pildner-Steinburg „und wir verstehen unsere Technologien und Prozesse so gut, dass wir diese innerhalb kürzester Zeit auch für den Einsatz in anderen Industriesegmenten entsprechend adaptieren können.“

So wird nächstes Jahr zum Beispiel eine Hydrosulfit-Löseanlage bei Renewcell in Betrieb gehen, einem jungen schwedischen Unternehmen, das eine bemerkenswerte neue Recyclingtechnologie entwickelt hat, und nun in Sundsvall ein Textil-Recycling Werk in industriellem Maßstab errichtet. Zukünftig werden dort gebrauchte Baumwolle, Jeansstoffe, Rayon und andere Zellulosefasern aufgelöst und zu 100 % in sogenannten Circulose®-Zellstoff recycelt.

Mit der Digitalisierung wachsen

So wie sich Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt durch die Digitalisierung zum Teil grundlegend und immer rasanter verändern, wandelt sich auch der Anlagenbau dynamisch. Wobei für diese Branche das Thema Digitalisierung kein bahnbrechendes mehr ist, sondern die vor bereits Jahrzehnten begonnene Entwicklung nun einfach mit sehr großen Schritten vorangeht. Die Automatisierung ihrer Anlagen hat bei GAW bereits vor Jahrzehnten Einzug gehalten, ebenso wie Remote-Services seit langer Zeit Standard sind.

„Heute liegt die Stoßrichtung unserer digitalen Agenda in der Anreicherung des bestehenden Produktportfolios um jene digitalen Fähigkeiten, die unseren Kunden zusätzlichen Mehrwert bieten, sowie auch in der Entwicklung neuer digitaler Anwendungen für unsere angestammten Kernmärkte“, unterstreicht Wolfgang Senner. Für die speziellen Erfordernisse der Zellstoff-, Papier- und Kartonhersteller gibt es bereits auf Datenanalyse basierende Lösungen, sei es zur Reduktion des Energieverbrauchs, zur Verbesserung der Zellstoff- und Papierqualität oder auch zur Steigerung der Prozesssicherheit, die unter anderem im Bereich Lebensmittelverpackungen, Stichwort Barrierebeschichtung, höchste Priorität hat.

In diesem Fall setzt GAW zur Planung und Optimierung der Auftragsdaten bzw. zur Erfassung, Visualisierung und Analyse der Leistungs- und Qualitätsdaten ihr Produktmanagementsystem automationX®-MES zur Produkt- und Chargenrückverfolgung ein.  Wollen die Kunden noch mehr aus ihren Produktionsanlagen herausholen, das heißt, den Rohstoff- und Energieverbrauch minimieren und gleichzeitig den Durchsatz und die Produktqualität steigern, indem Schwankungen kritischer Prozessgrößen reduziert bzw. Störungen schneller ausgeregelt werden, kommen entsprechende APC-Lösungen zum Einsatz, sei es beispielsweise in den Bereichen Stärke, Wet End oder auch in der Trocknung, wo eine Dampfeinsparung von bis zu 6 % erzielbar ist.

„Die Dynamik des technologischen Wandels, der bisher die Geschichte von GAW geprägt hat, wird auch weiterhin ein gestaltendes Element in der Entwicklung unseres Unternehmens sein, und dem steht auch im digitalen Zeitalter nichts im Wege“, ist Nina Pildner-Steinburg überzeugt. „Insbesondere dann nicht, wenn man das Glück hat, mit Menschen zusammen arbeiten zu dürfen, die unser gewachsenes Klima des Vertrauens sowie der Offenheit zwischen allen Hierarchieebenen und Abteilungen entsprechend zu schätzen wissen. Und das wirkt sich naturgemäß auch positiv auf die Innovationskraft aus.“

Mit starkem Background

Blicken wir zum Abschluss nochmals etwas in der Historie zurück. Eine wesentliche unternehmerische Entscheidung in der Unternehmensentwicklung war, wir hatten es bereits erwähnt, der Weg vom Komponentenhersteller hin zum Anbieter von Turn-Key-Anlagen. Doch dem nicht genug, trieben die Eigentümer seit den 90er Jahren nicht nur die Diversifizierung ihres Unternehmens konsequent voran, sondern begannen kurze Zeit später auch, Unternehmen in anderen Geschäftsfeldern zuzukaufen und damit den Weg in die Struktur einer familiengeführten Industrieholding zu vertiefen.

So ist GAW technologies heute ein stolzer Teil der im Familieneigentum Pildner-Steinburg stehenden GAW Group, einem weltweit agierenden Technologiekonzern. Das Portfolio aus Anlagen, Produkten und Industriedienstleistungen bedient mit Papier, Kunststoff, Chemie, Verkehrsinfrastruktur, Baustoffen, Lebensmitteln, Medizintechnik und Optoelektronik acht essenzielle Märkte in beinahe allen Regionen der Welt. Anlass genug also, den nächsten siebzig Jahren voller Tatendrang entgegen zu sehen.

https://www.gaw.at/de/

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