P3 1-2/2024 de

Thermische Speicher

Baustein für die Dekarbonisierung der Papier- und Zellstoffindustrie

Research & Innovation

Für die Papierindustrie als energieintensive Branche stellt die Klimaneutralität eine besondere Herausforderung dar. Zentral für eine erfolgreiche Dekarbonisierung der Industrie ist es, die Dampf- und Wärmeproduktion sowohl zuverlässig als auch erschwinglich zu gestalten. Thermische Speicher können bereits heute ein Schlüssel dafür sein, diesen Spagat zu meistern.

In der öffentlichen Debatte rund um die Energiewende wird die Herausforderung der industriellen Prozesswärme bisher häufig übersehen. Dabei verbrauchen energieintensive Industriesektoren wie Stahl, Chemie, Textilien, Lebensmittel und eben auch die Papierindustrie in Europa fast 2.000 Terawattstunden Energie pro Jahr für die Produktion von Prozesswärme. In Deutschland entfällt ungefähr die Hälfte des Endenergieverbrauchs auf die Erzeugung von Wärme, wobei die Erzeugung von Prozesswärme dem Umweltbundesamt zufolge sektorübergreifend einen Anteil von etwa 23 Prozent ausmacht. Der Anteil an grüner Wärme liegt laut dena jedoch erst bei ungefähr 15 Prozent. Dementsprechend bieten Prozesswärme bzw. Prozessdampf also noch enorme Einsparpotenziale und damit auch einen wesentlichen Hebel zur Reduktion von CO2-Emissionen.

Trotz erheblichen Anstrengungen ist der CO2-Fußabdruck auch in der Papierindustrie insgesamt immer noch hoch, denn Erdgas ist laut dem Branchenverband „Die Papierindustrie e. V.“ mit einem Anteil von 58 Prozent weiterhin der bestimmende Energieträger im Brennstoffeinsatz. Die Industrie hat bereits viel in Energieeffizienzmaßnahmen wie Wärmerückgewinnungs- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen investiert. Nun werden neue Technologien benötigt, um so schnell wie möglich eine Netto-Null-Stromerzeugung zu erreichen, ohne dabei Produktionskosten unverhältnismäßig in die Höhe zu treiben und im Idealfall den Gesamtverbrauch zu senken.

Hier setzen thermische Speicherlösungen an, die einen Beitrag dazu leisten können, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren und die Integration erneuerbarer Energien in der Industrie voranzutreiben.

Enormes Potenzial für die Dekarbonisierung industrieller Wärme

Energiespeicherung ist ein zentraler Aspekt der Energiewende: Sie soll die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden und die Energiewende in der globalen Industrie vorantreiben. Gerade in der thermischen Energiespeicherung liegt daher ein enormes und konkretes Potenzial für die Dekarbonisierung von industrieller Wärme.

Die Realität ist nämlich weiterhin, dass Biomasse endlich ist, Geothermie nur in kleinen Teilen Europas wirtschaftlich zur Verfügung steht und der Wirkungsgrad von Wasserstoff aus Strom zur Wärmeerzeugung momentan bestenfalls bei 50 Prozent liegt. Zudem dürfte grüner Wasserstoff erst zu spät flächendeckend verfügbar sein und bleibt absehbar zu kostbar, um ihn in Grundlast zu verbrennen. Zukunftsfähige grüne Lösungen zur Energiespeicherung wie Energynests ThermalBattery hingegen stehen auch heute schon zur Verfügung.

Dabei sollten thermische Speicherlösungen nicht nur im Zusammenhang mit der Erreichung von Klimaschutzzielen betrachtet werden. Denn auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht bieten sie große Potenziale. Durch die Dekarbonisierung kann sich die deutsche Industrie insgesamt resilienter und wettbewerbsfähiger aufstellen, indem sie die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert und somit geopolitische Risiken minimiert. Durch die Implementierung von Speicherlösungen können vergleichsweise günstige und dezentrale erneuerbare Energien integriert werden und Versorgungs- und Kostensicherheit langfristig gewährleistet werden.

Die ThermalBattery besteht aus Karbonstahl und dem eigens in Zusammenarbeit mit HeidelbergCement entwickelten Spezialbeton Heatcrete. Die Wärmespeicher können modular erweitert werden, je nachdem, wie viel Speicherbedarf besteht. Beim Design wurde auf bewegliche Teile verzichtet, weshalb der Speicher eine hohe Lebensdauer aufweist und relativ wartungsarm ist. Die Lebensdauer liegt bei 30 Jahren und mehr.

Die Aufladung der Wärmebatterie erfolgt durch die direkte Durchströmung von heißer Wärmeträgerflüssigkeit durch eingebettete Stahlrohre von oben nach unten, wodurch Wärmeenergie auf das Kernspeichermaterial übertragen wird. Im Entladebetrieb kehrt sich der Fluss um: Kalte Wärmeträgerflüssigkeit wird unten eingespeist und verlässt die Batterie anschließend erhitzt, um Energie von der Oberseite der ThermalBattery abzugeben. Dieses Prinzip funktioniert ebenso effizient mit Wasser und Dampf. Somit dient der Wärmespeicher beim Laden als Dampfkühler und Kondensator, während er im Entladen als Kessel und Überhitzer fungiert.

Der optimale Wirkungsbereich der ThermalBattery liegt zwischen 100° und 400°. Der Speicher kann dabei auf verschiedene Anwendungen individuell angepasst werden, wodurch sich vielfältige Einsatzgebiete in einem industriellen Kontext erschließen. In der Zellstoff- und Papierindustrie bieten sich gleich mehrere Anwendungen für Wärmespeicher an. So können Wärmespeicher unter anderem bei der Abwärmerückgewinnung oder der Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien für Trocknungsprozesse zum Einsatz kommen.

Vollständige Integration erneuerbarer Energien

Die Papierindustrie zählt zu den fünf energieintensivsten Branchen in Deutschland. Um Klimaneutralität in dieser Industrie zu erreichen, kommt es vor allem darauf an, die gegenwärtig noch vorherrschenden fossilen Brennstoffe zur Trocknung des Papiers zu ersetzen. Hier bietet sich vor allem Strom aus erneuerbaren Energiequellen als Alternative zum Erdgas an. Idealerweise kann die Elektrifizierung der Wärme- und Dampfproduktion den Bedarf an fossilen Energien für Teilprozesse gänzlich eliminieren. Doch ohne Speicherung ist die Produktion nur auf Tagzeiten begrenzt, auch wenn Dampf durchgängig benötigt wird. Thermische Speicher können überschüssige Energie für die Dampferzeugung bei Nacht speichern, was eine echte Dekarbonisierung ermöglicht.

Energynest hat diese Anwendung mit seinem Partner Avery Dennison, einem führenden Hersteller von selbstklebenden Materialien, in Belgien implementiert. Das Projekt umfasst eine Plattform für konzentrierte Solarthermie (concentrated solar thermal - CST) mit 2.240 Oberflächenspiegeln und einem Spitzenertrag des Solarfelds von 2,7 GWh thermischer Energie sowie sechs thermische Speichermodule mit einer Kapazität von 5 MWh thermischer Energie. Dort wird Solarenergie genutzt, um einen Teil der Trocknungsöfen in der Produktion zu betreiben, die im Beschichtungsprozess der am Standort hergestellten Haftklebstoffprodukte eingesetzt werden. Nicht bedarfsgerecht erzeugte thermische Energie wird dabei in der ThermalBattery gespeichert und in der Nacht oder bei sonstigen Bedarfsspitzen abgegeben, was zur Vermeidung des Einsatzes von fossilen Brennstoffen führt und somit zu einer weiteren Reduzierung der Emissionen beiträgt.

Der Einsatz von thermischen Speichern beispielsweise bei einem Papierhersteller kann bei einer angenommenen Speichergröße von 8 MWth in Kombination mit einem Elektrodendampfkessel von 5 MWel zu signifikanten Einsparungen führen. In diesem Szenario könnte der Verbrauch nach Berechnungen von Energynest pro Jahr durchschnittlich um etwa 11 GWh Erdgas und 2.300 Tonnen CO2 gesenkt werden. Die Gesamtersparnis pro Jahr könnte so bis zu 1.3 Millionen Euro pro Jahr betragen, was zu einer Amortisierung der Anlage nach vier Jahren Betrieb führen würde.

Deutliche Verbesserung der Energieeffizienz

Neben der Elektrifizierung können thermische Speicher aber auch bisher ungenutzte Potenziale bei der Abwärme heben. Die Rückgewinnung von Überschusswärme und ihre Speicherung für die spätere erneute Nutzung als Primärenergie in einer Art Prozesswärme-Recycling verringert ebenfalls die Abhängigkeit von fossilen Energiequellen, spart Energiekosten und Emissionen. Viele Papierhersteller arbeiten bereits jetzt mit Wärmerückgewinnungsanlagen. Thermalspeicher können diese sinnvoll ergänzen und eine flexible Steuerung des Wärmerecyclings ermöglichen.

Dieses Verfahren findet beispielsweise bei einem der weltweit größten Düngemittelhersteller Yara im norwegischen Porsgrunn Anwendung. Die dampfbasierten thermischen Speicher – die ersten ihrer Art im industriellen Einsatz – ermöglichen Yara, nicht bedarfsgerecht erzeugte Energie in Form von Dampf zurückzugewinnen und je nach Einsatzbedarf für verschiedene Prozesse der Anlagen wieder in das Dampfnetz einzuspeisen. Diese Form des sogenannten Steam Grid Balancing sorgt dafür, dass weniger fossile Brennstoffe für die Erzeugung zusätzlichen Dampfs eingesetzt werden müssen und Fluktuationen in Produktion und Energieeinspeisung ausgeglichen werden können.

Fazit

Für viele Anwendungsfelder thermischer Speicher braucht es heute schon keine neuen politischen Maßnahmen oder besondere Förderungen mehr – schon gar nicht bei hohen Energiepreisen und perspektivisch weiter steigenden CO2-Preisen. Der Handlungsdruck für die Industrie ist enorm: Schnelle Implementierung und Skalierung von klimafreundlichen Technologien sind nun entscheidend. Die deutsche Industrie muss dafür ihre Zurückhaltung aufgeben, sie muss Energiebezug vom Leidens- zum Lösungsthema machen und verschiedene Technologien zu einem nachhaltigen Versorgungsportfolio kombinieren.

Thermische Speicher können dabei helfen, die industrielle Wärme- und Dampfversorgung zu sichern und zugleich ein Kernbestandteil klimaneutraler Produktionsprozesse werden. Sie sind nachhaltig und wirtschaftlich zugleich, schnell implementiert und skalierbar. Das macht thermische Speicher zu wichtigen Bausteinen für die Energiewende in der Papier- und Zellstoffindustrie.

Über Energynest

Energynest bietet ein flexibles und kosteneffizientes thermisches Energiespeichersystem (TES) für Kunden aus den Bereichen Stromerzeugung, energieintensive Fertigung und erneuerbare Energien. Die thermischen Batterielösungen dekarbonisieren die Energieversorgung durch die Elektrifizierung industrieller Wärme und durch die Rückgewinnung und Wiederverwendung von Abwärme in Energie nach Bedarf. Energynest bietet auch groß angelegte Energiespeicher für solarthermische und andere emissionsfreie Kraftwerke. Das 2011 gegründete Unternehmen mit Hauptsitz in Billingstad und Büros in Hamburg, Sevilla und Rotterdam wurde von Mission Innovation auf Platz 3 der Global TOP100 Carbon Reducing Innovations gewählt.

Über Christian Thiel

Christian Thiel ist seit 2014 CEO von Energynest und seit über 20 Jahren an der Schnittstelle von Industrie, Innovation und Energie tätig. Er bekleidete Führungspositionen bei Senvion (ehemals REpower), McKinsey, der UBS Investment Bank und arbeitete als Projektmanager bei der BMW Group. Der Diplombetriebswirt hält einen Doktortitel in Marketing und war im Rahmen seiner Dissertation Gastwissenschaftler an der Harvard Business School und der Kellogg School of Management.