P3-BLOG


von Stefan Breitenfeld

31.03.2020

VDMA, Verpackungsdruck, Nachhaltigkeit, Industrie 4.0

„Wir wollen uns als die führende Service-Company im Markt hervortun!“

Wer Bosch Packaging sucht, findet seit Januar 2020 Syntegon. Nach fünf Jahrzehnten Konzernzugehörigkeit steht der Packaging- und Prozessspezialist auf eigenen Beinen. Im VDMA-Interview spricht Clemens Berger, Geschäftsführer der Business Unit Food, über die neue Marke und ihr Engagement für nachhaltige Verpackungen und Prozesse, sowie über die strategische und technologische Ausrichtung des Unternehmens, das 2019 mit 6.100 Mitarbeitern rund 1,3 Milliarden Euro umsetzte.

Herr Berger, der Eigentümerwechsel von Bosch zu CVC Capital Partners ist vollzogen. Was bedeutet das für Sie und für Ihre Bestandskunden?

Clemens Berger: Wir sehen darin die große Chance, eigenständiger und agiler zu werden. Unsere Branche ist mittelstandsgeprägt, und auch wir haben dank der nun eigenständigen, schlankeren Strukturen kürzere Entscheidungswege als zuvor. Das passt zu den Rahmenbedingungen der Branche.

Mit der Umfirmierung tauschen Sie die etablierte Marke Bosch Packaging gegen die neue Marke Syntegon. Was wird der Markenkern sein?

Berger: Der Name Bosch hat im Maschinenbau natürlich Gewicht. Doch wir sind zuversichtlich, dass wir mit Syntegon ein ganz eigenes Profil als führender Prozess- und Verpackungsmaschinenhersteller entwickeln können. Dazu zählt aus unserer Sicht mehr Serviceorientierung als bisher. Syntegon bietet Prozess- und Verpackungstechnik für ein besseres Leben. Das ist unser Markenkern. Also der Anspruch, intelligente und nachhaltige Prozess- und Verpackungslösungen zu entwickeln, die Konsumenten und Patienten zu Gute kommen. Das Kunstwort Syntegon spiegelt das: Synergien heben. Technologien vorantreiben. Und klare Orientierung an Zukunft und Nachhaltigkeit.

Ihre Branchenschwerpunkte sind die Pharma- und Lebensmittelindustrie. Welches Spektrum deckt Ihre Prozess- und Verpackungstechnik ab?

Berger: Wir liefern Einzelmaschinen und verstehen uns als Systemanbieter, der integrierte Komplettlösungen und Dienstleistungen für seine Kunden entwickelt. Das Spektrum reicht im Pharmabereich von Prozessen bis zur Herstellung – Wiegen, Abfüllen, Fördern, Pressen und Beschichten, Inspektion, Laborautomation – bis zur Verpackung fester und flüssiger Pharmazeutika. Ob Kapseln, Ampullen oder Spritzen. Rückverfolgbarkeit per Track & Trace gehört auch dazu. In der Nahrungsmittelbranche ist unser Portfolio ähnlich breit: Von Prozesstechnik für die Süßwarenherstellung bis zu kompletten Verpackungslinien für Riegel, Cerealien, Molkerei- und Tiefkühlprodukte oder Kaffee. Oft sind aseptische Abfüllprozesse gefragt. Zudem steuern wir unser know how bei, um die Lebensmittelherstellung und Verpackung energieeffizienter zu gestalten. Energie- und Ressourceneffizienz sind gefragter denn je. Syntegon hat das entsprechende Wissen.

Gibt es hier modulare Ansätze oder ist das reiner Sondermaschinenbau?

Berger: Für uns ist Modularität elementar. Bei der Entwicklung neuer Maschinen setzen wir soweit irgend möglich auf unseren Modulbaukasten. Das ist auch für unsere Kunden wichtig, weil sie ihre Linien oft und schnell von einem Produkt zum anderen umrüsten müssen. Beispielsweise für die Trennung von veganen oder laktose- und glutenfreien Produkten. Modulare Konzepte bieten die nötige Flexibilität. Andererseits werden Sie bei verschiedenen Kunden von uns kaum Maschinenlinien finden, die annähernd identisch sind. Der Bedarf an individuellen Anpassungen ist hoch. Wir verstehen uns als Sondermaschinenbauer, der zur optimalen Umsetzung individueller Kundenwünsche auf modulare Ansätze setzt.

Welche Rolle spielt Drucktechnik in Ihren Verpackungslösungen?

Berger: Im Pharmabereich sind unsere Track & Trace-Lösungen in der Drucktechnik integriert. Faltschachteln werden dabei unter engmaschiger Qualitätskontrolle mit so genannten Data-Matrix-Codes versehen. Hier sind Inkjet- und Laserdrucker im Einsatz. Ansonsten läuft es im Pharma- und Lebensmittelbereich eher so, dass unsere Maschinen vorbedruckte Verpackungen verarbeiten. Teils kommt es bei sehr individuellen Pharmaprodukten oder bei Kampagnen anlässlich von Events auch im Lebensmittelbereich zur Individualisierung von Verpackungen in kleinem Stil. Aber sobald es in die Masse geht, übernehmen Druckprofis.

Der Trend zur Circular Economy ist im Packaging unübersehbar. Welche Rolle spielen Papier und Pappe?

Berger: Das ist im Food-Bereich ein Top-Thema. Einerseits geht es um bessere Recyclingfähigkeit durch Monomaterialien anstelle von Mehrschichtfolien. Dafür gilt es, Verpackungsprozesse so anzupassen, dass die bisherigen Anlagen die neuen Materialien verarbeiten können. Das ist nicht trivial, weil beim Versiegeln und Verschweißen der Monofolien andere, oft engere Temperaturfenster gelten. Andererseits sind unsere Kunden dabei, Kunststoffe überall dort, wo es möglich ist, durch papierbasierte Materialien zu ersetzen. Aufgrund der vielen Anfragen erwarten wir hier Anpassungen in größerem Stil. Auch das setzt umfangreiches Prozess-know how voraus. Kunststofffolien und papierbasierte Materialien haben sehr unterschiedliche Eigenschaften. Aber wir arbeiten in verschiedenen Kooperationen an verbesserten Materialien, neuen Design-Ansätzen und Richtlinien für die Gestaltung der Kreislaufwirtschaft. Dazu gehört auch, den Energieverbrauch im Gesamtprozess zu minimieren. Letztlich kann kein Anbieter diese Fragen alleine lösen. Aber zusammen kommen wirklich gute, tragfähige Lösungen heraus.

Spielen dabei auch Artificial Intelligence, Connected Customers oder 4.0-Ansätze eine Rolle?

Berger: Definitiv. An mich berichtet neben dem Nachhaltigkeitsbeauftragten auch ein Industrie-4.0-Verantwortlicher. Denn das ist für uns ein Kernthema; Artificial Intelligence fließt gerade ebenfalls verstärkt in unsere Produktentwicklungen ein. In ein bis zwei Jahren werden wir im Markt erste Lösungen sehen. Industrie 4.0 ist längst kein Hype-Thema mehr. Es kommen praxistaugliche Lösungen für den Service- und Maintenance-Bereich, die Maschinenvernetzung oder auch für eine zentrale Prozessdatenauswertung, in der Artificial Intelligence viel Potenzial hat.

Gibt es für Syntegon Regionen mit besonderer Wachstumsdynamik?

Berger: Glücklicherweise ja. Aktuell verzeichnen wir eine deutliche Belebung im US-Markt. Mittel- und langfristig sehen wir das größte Wachstumspotenzial in den Verpackungsmärkten Asiens und Afrikas. Gottlob verbessern sich für viele Menschen dort die Lebensbedingungen. Es geht nun darum, dass Lebensmittel und andere Produkte heil und in guter Qualität zu den Verbrauchern kommen. Noch verderben enorme Mengen von Lebensmitteln dort in den Lieferketten. Das können nachhaltige Verpackungen ändern.

Ihre After-Sales-Angebote – u.a. mit Embedded Engineers – fallen auf … 

Berger: … das freut mich. Denn das ist wie eingangs erwähnt eines unserer zentralen Themen. Wir wollen unsere Kunden durch schnellen, verlässlichen Service überzeugen. Embedded Engineers sind angesichts der Komplexität heutiger Herstellungs- und Verpackungsprozesse für viele Kunden ein echter Mehrwert. Teils finden sie keine qualifizierten Bediener. Spezialisten, die ihre Maschinen in und auswendig kennen, und die auch mit den jeweils geltenden Hygieneanforderungen in der Pharma- und Nahrungsmittelproduktion vertraut sind, sind ihnen sehr willkommen. Zudem übernehmen sie eine Brückenfunktion, indem sie uns helfen, Kundenprozesse zu verstehen und Optimierungsbedarfe zu identifizieren. Auch unser Forschungs-, Entwicklungs- und Versuchszentrum in Königsbrunn ist ein Faktor dieser Kundenorientierung. Wir fahren dort mit unseren Kunden Versuche mit deren Produkten auf unseren Labormaschinen – und haben unter anderem ein vollausgestattetes mikrobiologisches Labor, um diese Real-Versuche sofort gründlich auszuwerten. Übrigens sind auch unsere Servicefachkräfte jeweils auf einen der beiden Bereiche Pharma und Lebensmittel spezialisiert. Anders macht es keinen Sinn, weil die Anforderungen zu unterschiedlich sind. Unsere Kunden brauchen Experten, die ihre Prozesse und Rahmenbedingungen verstehen.

Was sehen Sie, wenn Sie sich Syntegon im Jahr 2030 vorstellen?

Berger: Wir sind der führende Anbieter von Prozess- und Verpackungstechnik. Syntegon setzt konsequent auf intelligente und nachhaltige Technologien, weil sich die Anforderungen unserer Kunden nur damit optimal erfüllen lassen. Zudem wollen wir eine Service-Company werden – im Sinne von Top-Qualität und maximaler Verfügbarkeit unserer Maschinen. Damit wollen wir uns im Markt hervortun und bis 2030 weitere Marktanteile gewinnen. Dabei wird das Thema Nachhaltigkeit entscheidend sein.

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