P3-BLOG


von Stefan Breitenfeld

26.01.2021

drupa, Digitaldruck

Konvergenz der Druckmärkte – absolut unvermeidlich?

Ob physisch oder online – die drupa wird ihre herausragende Stellung als die „Olympischen Spiele der Druckindustrie“ weiter stärken und dabei ein Schlaglicht auf die Konvergenz von Märkten werfen. Schon seit Langem beschränkt man sich bei der Messe in Düsseldorf nicht mehr allein auf den Akzidenzdruck. Die mittlerweile teilnehmenden Hersteller von Digitaldruckmaschinen haben das bewiesen; ihre Präsentationsflächen werden nach und nach umfangreicher.

Ein Beitrag von Jean Poncet.

Zusätzlich zur Drucktechnologie im klassischen Sinne wachsen auch andere Bereiche: Aussteller bieten beispielsweise 3D-Druck-Maschinen, die nicht einfach Farben oder Texte auf Oberflächen drucken, sondern stattdessen dreidimensionale Formen produzieren.

Gutenberg würde sich wahrscheinlich in seinem Grab umdrehen! Erez Zimmerman, der als CEO von Massivit 3D auf großformatigen 3D-Druck spezialisiert ist, sagte bei einer Messe in München einmal: „Wir werden auf der drupa mit neuen Produkten und Innovationen überraschen.“ Zweifellos fragt man sich dabei, in welcher Relation das Erstellen einer Vierfarbbroschüre (mit Relevanz für das traditionelle Messepublikum) zum Produzieren einer riesigen Champagnerflasche als Point- of-Sale-Dekoration steht. Ist eine riesige Champagnerflasche (neben anderen Dingen) für einen klassischen Messebesucher interessant?

Selbstverständlich! Daran zeigt sich eine unverkennbare, unmittelbare und unbestreitbare Konvergenz.

Digitaldruck hat die Druckwelt durchaus verändert. Lange Zeit ging es nur um gedruckte Dokumente und Fotokopien. Dann drang Inkjetdruck auf den Etikettenmarkt vor, gefolgt vom Schmalbahn-Verpackungsdruck im Kleinformat. In der Welt der großen und sehr großen Formate verdrängte Inkjetdruck bei den meisten gängigen Aufträgen sowohl den Siebdruck als auch den Offsetdruck.

In den letzten Jahren verbreitete sich eine Art Mantra wie ein Lauffeuer: Marktkonvergenz ist eine zwangsläufige Entwicklung, die Spektakuläres hervorbringen wird! Das ist natürlich weder absolut wahr, noch absolut falsch.

Angesichts des Rückgangs beim klassischen Akzidenz-Offsetdruck haben Druckdienstleister ihr Angebotsspektrum erweitert. Beim Zeitschriftendruck wurden Kosten gesenkt, in anderen Bereichen gelang das Überleben dank der Kataloge, deren Produktionseinstellung die großen Supermärkte immer wieder androhen. Alle, deren Geschäft auf Broschüren beruhte, mussten sich neue Tätigkeitsfelder erschließen. Mit Transpromo oder dem Dokumentendruck loteten Spezialanbieter die Möglichkeiten des Digitaldrucks für die Verarbeitung variabler Daten aus. Ausgangsbasis war dabei oft das, was früher als Endlosdruck bezeichnet wurde. Eine Fortsetzung der bisherigen Strategie stand außer Frage, sodass ein Umstieg auf andere Nischenprodukte erfolgen musste. Am einfachsten war es, zusätzliche Dienstleistungen bereitzustellen, etwa Etikettierung oder Beschilderung.

Schwierigkeit des Geschäftsausbaus

So geht es weiter und weiter – aber machen wir uns nichts vor: Für die betroffenen Druckdienstleister ist das alles nur eine Notlösung, wenn sie nicht einen Schritt weiter gehen und umfassend in Ausrüstung investieren.

Die Kosten stellen ein Hindernis dar, sind aber nicht immer der wichtigste Aspekt. Mindestens zwei weitere Faktoren sind zu beachten, zum einen mit Blick auf die Geräte, zum anderen im Zusammenhang mit dem Personal.

Zur geschäftlichen Expansion kann man eine Digitaldruckmaschine günstig erwerben, ohne die vorhandenen Bogenoffset-Druckmaschinen gleich einmotten zu müssen. Eine schmale Tonerdruckmaschine der unteren Leistungsklasse ist für weniger als 40.000 Euro zu haben; einige Basismodelle kosten trotz der schon hohen Qualität bei Prototypen oder Ultrakleinserien noch weniger. In höheren Sphären ist eine halbe Million Euro schnell erreicht – das ist eine ganz andere Größenordnung. Sehr ausgefeilte Etiketten, für die teure Weiterverarbeitungswerkzeuge benötigt werden, lassen sich nur schwerlich produzieren, ohne an diese Grenze der halben Million zu kommen.

Auch bei den Mitarbeitern zeigen sich Auswirkungen: Digitale Technologie hat das Know-how des Maschinenbedieners bis auf die Druckvorstufe überflüssig gemacht. Immer noch wichtig ist aber das Finishing- Expertenwissen, von dem das Gesamtergebnis abhängt.

Etiketten zu produzieren ist schön und gut, man braucht aber immer noch einen Markt! Menschen, die mit Akzidenzdruck zu tun haben, sind dem Wesen nach recht traditionell. Jemand, der sich durch genaue Kenntnis aller Broschüreneinkäufer ein Geschäft aufgebaut hat, muss in seinem Basisberuf komplett neu beginnen. Man gibt seinen Betrieb ja nicht zum Spottpreis weg, um an einen neuen Kundenkreis zu kommen. Die Neuorientierung ist nicht unmöglich, braucht aber etwas Zeit. Insofern handelt es sich um eine zusätzliche Investition. Einige meinen, es als Subunternehmer schaffen zu können. Die geschäftliche Wende gelingt und die Druckmaschinen werden weiter betrieben, oftmals aber unter Vernachlässigung der Margen.

An einem runden Tisch in Lyon war ich kürzlich im Gespräch mit Robert Tison, der eine Druckerei in Isère betreibt (Imprimerie Suquet). Er ist ausgehend vom Akzidenzdruck auf Etikettendruck umgestiegen und hat dazu eine Tonerdruckmaschine im mittleren Leistungsbereich angeschafft. Am Anfang stand für ihn ein Kundenservice in kleinem Rahmen. Um seine Kunden nicht zu verlieren, erweiterte er seine Kompetenzen und kam so zu dem Schluss, mit seinem Unternehmen trotz des Rückgangs bei traditionellen Druckprozessen wachsen zu können. Robert Tison erkannte, dass der schwierigste Abschnitt noch vor ihm lag: „Am Anfang kommen ein paar Aufträge, und durch Mundpropaganda werden es mehr.

Um weiterzukommen, muss man aber geordnet vorgehen und in vernünftigem Maße investieren – da wird es dann kompliziert, denn Kommerzialisierung ist notwendig. Der Druckereileiter muss entweder selbst zum Vertriebsleiter werden oder einen Vertriebsmitarbeiter einstellen, was mit zusätzlichen Ausgaben verbunden ist.

Solche Zusammenhänge bestehen nicht nur in diesem speziellen Bereich. Die Entwicklung flexibler Verpackungen hat viele Etikettendruckereien auf neue Ideen gebracht. Mit Etikettendrucksystemen können beispielsweise einige kleine Beutel produziert werden. Mehrere Druckdienstleister, die sich für diese potenzielle Weiterentwicklung interessiert haben, stellten schnell fest, dass dafür andere Finishing-Materialien erforderlich sind, wenn man nicht Bahnen von unfertigen Beuteln ausliefern möchte. Hinzu kam, dass die treuen Kunden aus dem Etikettenbereich nicht zu den Abnehmern der neuen Angebote gehörten. Hersteller von flexiblen Verpackungen finden sich offenbar in derselben Situation wieder, da sie sich nicht in die Etikettenbranche vorwagen, obwohl sie technisch dazu in der Lage wären. Constantia hat durch Zusammenführung der Etikettensparte mit MCC kürzlich ohne Zögern die Fokussierung auf flexible Verpackungen verstärkt.

Marktkonvergenz durch Web-to-Print

Das Konzept der Marktkonvergenz stammt hauptsächlich von Herstellern, insbesondere im Digitaldruckbereich. Mark Andy und Omet, die mittlerweile Flexodruckmaschinen mit einer Breite von 450, 550 und mehr anbieten, sind aber nicht die einzigen Beispiele. Auch Web-to-Print ist ein Ursprung des Konzepts. Die Vervielfachung der Angebote, sei es im B2B- oder B2C-Bereich, unterstützt die Konvergenz.

Bei der Onlineprinters GmbH in Neustadt an der Aisch nahe Nürnberg lohnt sich ein Besuch: Mit dem vorhandenen Arsenal an analogen und digitalen Druckmaschinen macht das Unternehmen alles möglich. Wenn etwas nicht selbst erledigt werden kann, wird die Aufgabe ausgelagert. Auf gleiche Weise gehen internationale Akteure wie Cimpress oder auch regionaler ausgerichtete Anbieter wie Printoclock in Toulouse vor.

Printoclock begann als Anbieter ohne eigenen Druckbetrieb, aber mit Weiterverarbeitungswerkstatt – Amalgam ist die auf Reprographie ausgerichtete Web-to- Print-Lösung. Dann wurden Rollendruckmaschinen eingebunden, um Planen und Plakate zu produzieren; man wurde also im Großformatbereich aktiv. Ist das keine Konvergenz?

In Honfleur beschaffte Xavier Rozé, Leiter der ursprünglich auf Broschüren spezialisierten Marie Printing Company (Imprifrance Network), nach anfänglichem Zögern ein 1,60 Meter breites Druck- und Schneidsystem für den Einstieg ins Etikettengeschäft. Damit werden inzwischen viele lokale Anforderungen erfüllt; der Betrieb läuft gut.

Allerdings ist der Einstieg in den Großformatbereich nicht unbedingt einfach. Häufig gehört dazu auch das Koordinieren der Anbringung – ein Fahrzeug zu folieren oder eine Ladentheke zu bekleben, ist gar nicht so einfach. Daraus ergibt sich das Erfolgsrezept von Web-to-Print- Websites: Spezielle Werbung entfällt, da es eine Internetseite mit Self-Service-Funktionen gibt. Auch die Anbringung entfällt, denn nach Lieferung des bestellten Produkts ist der Auftrag erledigt. Noch besser und nicht zu vergessen ist die Zahlung schon zum Zeitpunkt des Bestelleingangs.

Abschließend sei zum Thema Großformatdruck erwähnt, dass die verwendeten Materialien weiterentwickelt werden, um eine möglichst einfache Anbringung zu erreichen.

Außerdem wird Recycling immer wichtiger. Bei Planen wird PVC durch Textil ersetzt, und mit einem kuriosen Genremix fordern Inneneinrichter die Werbetechnik- und Beschilderungsprofis heraus. Diejenigen, die mit Flachbettdruckern arbeiten, müssen sich vor diesem Hintergrund mit Rolle-zu-Rolle-Systemen ausstatten – und umgekehrt. Man hat die Wahl zwischen Direktdruck (auf Vinyl) und Sublimationsdruck (auf Textilien). Allerdings entsteht damit für die Betriebe – häufig größere Kleinunternehmen – ein hoher Investitionsbedarf.

Das Fazit: Unabhängig vom Geschäftsbereich hat Spezialdruck gute Zeiten vor sich, denn Diversifizierung ist nicht leicht. Der einfachere Weg liegt ohne Zweifel darin, die grundlegenden Kompetenzen maximal auszubauen und insbesondere Produktivitätssteigerungen anzustreben. Schon aus diesem Grund gilt es, Ausschau nach Innovationen zu halten – bei der virtual.drupa werden viele zu entdecken sein.

Über den Autor

Jean Poncet ist Chefredakteur verschiedener Publikationen, darunter Etiq&Pack (Französisches Magazin zu bedruckten Verpackungen), S&E (Zeitung rund um das Großformat), Pap'Argus (Monatszeitschrift über Pappe) und Liquides & Conditionnement (Magazin über Behälter für flüssige Lebensmittel).

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