P3-BLOG


von Stefan Breitenfeld

15.01.2022

VDMA, Circular Economy

„Um die ambitionierten Nachhaltigkeitsziele in der Papierindustrie zu erreichen, werden bahnbrechende Ansätze und Konzepte benötigt“

Dr. Michael Weiss, Vice President New Business & Research bei Voith, Heidenheim, spricht im Interview mit dem VDMA Fachverband Druck- und Papiertechnik über nachhaltigen Ressourceneinsatz, den Wunsch nach stringenten, verlässlichen Rahmenbedingungen sowie über neue Technologien.

Mit welchen Technologien unterstützen Sie die Transformation hin zu einer kreislaufbasierten Bioökonomie?

Als Full-Line-Anbieter liefert Voith Paper ganzheitliche und kundenorientierte Lösungen aus einer Hand für einen effizienten und nachhaltigen Papierherstellungsprozess. Mit den XcelLine Papiermaschinen bietet Voith effiziente Papierherstellung für jede Papiersorte, und mit den innovativen Stoffaufbereitungsprodukten der BlueLine profitieren Kunden von maximaler Effizienz und Rohstoffausbeute. Die Digitalisierungslösungen aus dem Papermaking 4.0-Portfolio nehmen mit Blick auf maximale Ressourceneffizienz und Anlagenverfügbarkeit eine zunehmend wichtigere Rolle in der Papierherstellung ein. Auch das breite Spektrum an Verbrauchsgütern und Ersatzteilen, das Voith in die Papierindustrie liefert, leistet einen wichtigen Beitrag zu niedrigstem Energieverbrauch, hoher Maschineneffizienz und Anlagenverfügbarkeit.

Was sind Ihrer Meinung nach aktuell die Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Papierproduktion und wie kann der Maschinenbau dabei helfen?

Hier sind mehrere Faktoren zu nennen, die vor allem auch vor dem Hintergrund hohen Kostendrucks auf die Papierhersteller zu sehen sind. Ein entscheidender ist die Verfügbarkeit und Qualität des Rohstoffes für die Papierherstellung, d.h. die Zellulosefasern und das Altpapier. In Europa ist die Recyclingquote bereits heute auf einem sehr hohen Niveau. Derart hohe Wiederverwertungsraten erfordern eine besonders faserschonende Aufbereitung des Rohstoffs Altpapier, um beispielsweise das Festigkeitspotential des Rohstoffs zu erhalten. Solche Technologien und Lösungen werden bei einer Erhöhung der Recyclingquote weiter an Bedeutung gewinnen, da die Qualität des Rohstoffs bzw. eine qualitativ hochwertige Aufbereitung des Rohstoffs auch einen entscheidenden Einfluss auf die gesamte Wirtschaftlichkeit und Effizienz des Papierherstellungsprozesses hat. Mit der BlueLine Stoffaufbereitung bietet Voith das weltweit ressourcenschonendste Prozesskonzept am Markt.

Ein weiterer Faktor ist, den Wasserverbrauch in der Papierherstellung zu minimieren. Hier haben wir in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte durch die schrittweise Schließung der Produktionswasserkreisläufe erzielt. Voith und Meri haben in diesem Jahr mit AquaLine Zero ein solches zukunftsweisendes Wassermanagement-Konzept mit einem vollständig geschlossenen Wasserkreislauf vorgestellt. Dabei wird das gesamte in der Papierherstellung verwendete Wasser durch eine betriebseigene Reinigungsanlage mit modernster Aufbereitungstechnik gereinigt und ressourcenschonend als Kreislaufwasser wieder in die Produktion eingespeist. So wird kein Prozesswasser aus der Papierfabrik abgeleitet und der tatsächliche Frischwasserverbrauch reduziert sich pro Kilogramm produziertem Papier auf nur noch etwa 1,5 Liter.

Die Dekarbonisierung wird die Papierherstellung und auch weitere Industrien in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vor große Herausforderungen stellen. Der von der EU beschlossene Green Deal sieht CO2-Neutralität in der EU bis 2050 vor, und bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent reduziert sein, gemessen an den Emissionswerten von 1990. Um die ambitionierten CO2-Reduktionsziele in der Papierindustrie zu erreichen, werden neben der Weiterentwicklung bestehender Technologien auch bahnbrechende Ansätze und Konzepte benötigt. Die Entwicklung und Umsetzung dieser Konzepte und Technologien ist Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie bei Voith.

Sind die Herausforderungen in Ihrer Branche regional unterschiedlich oder global dieselben?

Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung, und damit einhergehend die Veränderungen in unserer Branche, sind globale Entwicklungen. So hat auch die chinesische Regierung das Ziel ausgerufen, bis 2060 CO2-neutral zu sein, und die USA sind unter neuer politischer Führung wieder dem Pariser Klimaabkommen beigetreten. Am weitesten vorangeschritten sind diese Entwicklungen hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie jedoch in Europa.

Bis Mitte des Jahrhunderts wollen die führenden Industrienationen klimaneutral wirtschaften. Braucht es eine politische Flankierung hin zur Bioökonomie? Wenn ja, was erwarten Sie konkret von der Politik?

Es ist Aufgabe der Politik, klare Rahmenbedingungen zu schaffen und verlässliche Entscheidungen zu treffen, um allen Akteuren in den Märkten und entlang der Wertschöpfungskette Investitionssicherheit zu geben. Dies ist notwendig, um die Transformation zur Bioökonomie auch erfolgreich umzusetzen und dabei gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Papierproduzenten weiter zu steigern. Ein weiterer wichtiger Punkt wird die Weichenstellung für den zusätzlichen Ausbau von erneuerbaren Energien sein. In diesem Zusammenhang muss auch die notwendige Infrastruktur, wie Transportnetze und Speichersysteme, gefördert werden. Zudem sollten die Entwicklung und Markteinführung von CO2-emissionsarmen Produktionstechnologien unterstützt und beschleunigt werden.

Welche Rolle spielt das Thema nachhaltige Ressourcennutzung in Ihrer Forschung und Entwicklung?

Der Trend zu einer nachhaltigen Papierherstellung und insbesondere die Dekarbonisierung des Papierherstellungsprozesses nehmen bereits heute einen sehr großen Stellenwert in der Forschung und Entwicklung bei Voith ein, und sind eine zentrale Säule in der Strategie von Voith. Wichtige Fokusgebiete sind hierbei die Reduzierung des Energie- und Wasserbedarfs im Papierherstellprozess, die weitere Erhöhung der Recyclingquote und die Verbesserung der Rohstoffausbeute und -qualität. Zudem werden neue Applikationsfelder für den Rohstoff Papier bzw. Zellulosefasern erforscht, beispielsweise als nachhaltiger Ersatz für erdölbasierte Verpackungslösungen. Weitere wichtige Kriterien und Entwicklungsziele sind der weitere Ausbau der Digitalisierung und die kontinuierliche Verbesserung der Kosten- und Ressourceneffizienz unseres Maschinen- und Anlagenportfolios.

Voith hat maßgeblich an der Gründung der Modellfabrik Papier gGmbH mitgewirkt, und ist eines von mittlerweile 17 Partnerunternehmen aus der Papierherstellung und ihrer Zuliefererindustrie. Das Primärziel dieser Initiative ist die Identifikation und Erforschung von Ansätzen, um den gesamten Papierherstellungsprozess klimaneutral und zukunftsfähig aufzustellen. Durch innovative und disruptive Forschungsansätze sollen 80 Prozent des Energiebedarfs im Papierherstellprozess eingespart werden. Mit Blick auf eine weitere Schließung der Materialkreisläufe engagiert sich Voith in einer weiteren industrieübergreifenden Initiative: die 4evergreen Alliance. Ziel dieser Initiative ist die Erhöhung der Recyclingquote von faserbasierten Verpackungen auf 90 Prozent bis 2030.

0 Daumen runter
0 Daumen hoch

Kommentare

Noch keine Kommentare vorhanden.

Sie müssen angemeldet sein, um Kommentare abgeben zu können.

100%-Inspektion 3D-Druck Augenwischerei Automation Automatisierung Beratung bvse CircularEconomy Corona Cybersecurity Design dfta;Fachkräftemangel Digitaldruck Digitalisierung Direktdruck DOD Drucktechnologie drupa DTO Effizienz Elektronik Energiepreise Fachmessen Fachpack FachPack Flexodruck Greenwashing Individualisierung Industrie4.0 Inkjet Insolvenz Integration Intralogistik IT KI Klimaschutz Kreislaufwirtschaft Lagerhaltung Logistik LOPEC Marketing MIS Modellfabrik Nachhaltigkeit Prototypen Prozessketten Qualitätssicherung Querschneider Ransomware Recyclat Regionalität Rezession Robotik Stapelschneider Studie SUPD SupplyChain Sustainability Umweltverschmutzung VDI VDMA Veredelung Verpackungsdruck Verpackungsgesetz Versicherung Wellpappe Wirtschaft Workflow Zukunft