P3-BLOG


von Stefan Breitenfeld

22.02.2023

VDMA, Circular Economy, Sustainability

„Bottle-to-Bottle-Recycling ist technisch ausgereift“

Mit wachsendem Erfolg gelingt es der Krones AG, in ihren Komplettlinien für die Getränke- und Lebensmittelbranche Materialkreisläufe zu etablieren. So auch bei PET-Flaschen. Das Bottle-to-Bottle-Recycling setzt sich vielerorts durch, sobald Behörden geltende Verbote aufheben. Die Erfolge gehen laut Martina Birk, Head Of Sustainability, auf einen neuen Kooperationsgeist entlang der Prozesskette zurück.

Das Interview führte der VDMA in der Reihe „Circular Competence“.

Nutzen Sie in Ihrer eigenen Produktion Kreislauf- und Müllvermeidungskonzepte?

Selbstverständlich! Wir haben uns klare Ziele gesetzt, um Müll zu vermeiden. Das gilt für unsere eigene Produktion ebenso wie für unsere Produkte. Die Richtschnur ist die optimale, wenn irgend möglich mehrfache Nutzung der eingesetzten Rohstoffe. Auch möchten wir Downcycling vermeiden. Dafür setzten wir auf sortenreines Trennen der anfallenden Produktionsabfälle und deren Rückführung in den Stoffkreislauf. Das tun im Übrigen auch unsere Lieferanten. Und es gilt ebenso für unsere Anlagen, die am Ende ihres Lebenszyklus zerlegt und recycelt werden. Es gehört zu den wichtigsten Instrumenten im Klimaschutz, dass wir keine Ressourcen mehr aus der Erde nehmen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Wir müssen dahin kommen, Rohstoffe so oft wie möglich – und sofern technisch machbar – ohne Downcycling zu nutzen. Zwar hat das Deponieverbot in Deutschland dazu geführt, dass der Restmüllanteil sinkt. Doch wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Der Erdüberlastungstag war 2022 im Mai erreicht. Wir verbrauchen also in kaum fünf Monaten die Menge an Ressourcen, die uns mit Blick auf die globale Nachhaltigkeit für ein Jahr zusteht.

Welche Lösungen für die Circular Economy bieten Sie Ihren Kunden an?

Wir haben ein großes und weiter wachsendes Angebot an Recyclinglösungen. Dazu gehört das Bottle-to-Bottle-Recycling von PET-Flaschen, die unsere Kundschaft seit einigen Jahren Kreisläufen nutzen kann – und es auch immer öfter tut. Das geht so weit, dass einzelne Discounter eine eigene Flaschenfarbe haben und diese Flaschen in einem in sich geschlossenen Kreislauf nutzen. Interessanterweise gibt es unerwartete Vorteile. So sinkt der Energiebedarf im Flaschenherstellungsprozess, wenn sich die Recyclate mit der Zeit leicht eintrüben. Aber abgesehen von solchen Überraschungen ist das Bottle-to-Bottle-Recycling ist technisch ausgereift und auf bestem Weg zum Industriestandard. Daher wenden wir uns mittlerweile verstärkt dem Recycling der Umverpackungen zu. Bei Getränkedosen gibt es alternative Träger auf Papierbasis, die wir mit Partnerfirmen so optimieren konnten, dass wir die nötige Stabilität für den Transport der Dosen-Packs mit minimalem Materialeinsatz erreichen. Dagegen bestehen Umverpackungen und Etiketten für PET-Flaschen heute meist noch aus Kunststofffolie. Wir streben es an, dass auch sie beim Recycling ihren Wert behalten und für denselben Zweck nutzbar bleiben. Ganz generell ist Kunststoffrecycling für uns ein wichtiges Thema. Jenseits von PET liegen Potenziale brach, die es nun zu erschließen gilt. Allerdings sind die niedrig hängenden Früchte, wo das sortenreine Sammeln und Recycling vergleichsweise unkompliziert umsetzbar waren, weitgehend erschlossen. Was nun kommt, wird auf allen Ebenen schwieriger: technologisch, organisatorisch und finanziell. Es gibt viele Fragen offene Fragen – aber der Aufbruch ist spürbar und wir lernen ständig dazu.

Wie wirkt sich das Thema auf Ihre Forschung und Entwicklung und Kooperationen mit Ihren Kunden und deren Materiallieferanten aus?

Innovative Lösungen entstehen im Miteinander der Akteure entlang der gesamten Prozesskette. Alle Beteiligten, von den Herstellern der Basischemie und Materialien, über das Verpackungsdesign und uns bis hin zu den Betreibern unserer Anlagen und ihren Kunden, sowie natürlich die Recyclingunternehmen – wir alle arbeiten immer enger zusammen und bringen dabei jeweils unser gesammeltes Know-how ein. Wir durchleuchten auf der Suche nach Optimierungspotenzial jeden Prozessschritt, um die Materialmenge pro Verpackung zu reduzieren und dafür die Preform-Herstellung umzustellen, um Materialalternativen zu prüfen, Schrumpftemperaturen von Folien in Sinne der Energieeinsparung zu senken und die Liste der Beispiele ließe sich jetzt noch lange fortführen. Wo wir in der Entwicklung früher nur die Maschine im Blick hatten, sehen wir heute die gesamte Prozesskette und interagieren mit allen darin Beteiligten. Denn wir alle brauchen ein tiefes Verständnis für die technologischen Möglichkeiten und Grenzen aller beteiligten Partner, um Kreislaufprozesse sinnvoll planen und umsetzen zu können. Die vor uns liegenden Herausforderungen lassen sich nur mit Teamwork lösen.

Steigt die Nachfrage nach Ihrer Circular Competence weltweit – oder ist das eher ein regional begrenztes Phänomen?

Tatsächlich haben wir die erste Bottle-to-Bottle-Recyclinganlage im Jahr 2008 nach Bangladesch verkauft. In Indien war der Bottle-to-Bottle-Prozess lange verboten. Das hat sich 2022 ins Gegenteil gewendet. Nun gibt es dort eine verpflichtende Quote für das PET-Flaschen-Recycling. In China besteht dieses Verbot noch, doch dort wurden von Regierungsstellen intensive Untersuchungen zur Beurteilung der Sicherheit von Rezyklaten angestoßen; wie es scheint als Vorbereitung für ein foodgrade Recycling. Aufgrund der zuletzt stark gestiegenen Rohstoffpreise setzt auch dort und in anderen Regionen ein Umdenken ein. Der Preisanstieg der fossilen Energieträger und die gesellschaftlichen Debatten zum Klima- und Umweltschutz treiben diesen globalen Bewusstseinswandel an. Im Detail unterscheiden sich die Lösungen. So setzen die USA auf Sleeve-Etikettenfolien aus PET, die dieselbe Dichte wie PET-Flaschen haben, um beides gemeinsam recyclen zu können. Die EU verlangt dagegen unterschiedliche Materialien und getrenntes Recycling. Beide Herangehensweisen haben Vor- und Nachteile. Wichtig ist: Der Kreislaufgedanke greift um sich. Es ist zu hoffen, dass nun auch funktionierende Entsorgungssysteme aufgebaut werden, wo sie noch fehlen.

Umweltschutz ist oft regulatorisch getrieben. Sind die Rahmenbedingungen für den Einstieg in die Circular Economy richtig gesetzt?

Tatsächlich haben wir aktuell den Eindruck, dass die Industrie der Regulatorik einige Schritte voraus ist. Wir können mehr, als wir dürfen und könnten vielerorts höhere Recyclingquoten erfüllen. Teils hemmen langsame Gesetzgebungsprozesse und starre Regeln den Fortschritt. Es fehlt an Flexibilität und Technologieoffenheit.  Klar ist aber auch: Ohne die Politik geht es nicht. Wer sonst könnte Recyclingquoten oder auch ein Pfandsystem durchsetzen. Wichtig wäre nun, dass sich die Weltgemeinschaft auf eine realistische CO2-Bepreisung einigt. Werden Klimafolgekosten eingepreist, die wir als Gesellschaften ohnehin tragen müssen, dann wird das auch für die Circular Economy und für den Maschinen- und Anlagenbau mit seinen Enabling-Technologies enorme Schubwirkung entfalten. Denn dann bekommen die Rohstoffe endlich den Wert, den sie haben – und für den es sich lohnt, jeden machbaren Recyclingpfad zu nutzen.

Abbildungen: Krones

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